
Madeleine McCann: Neue Suche in Portugal soll den Durchbruch bringen. Seit Montag durchsuchen Ermittler in Portugal erneut ein abgelegenes Gebiet im Algarve-Bezirk Lagos – fast 18 Jahre nach dem rätselhaften Verschwinden der damals dreijährigen Madeleine McCann.
Diese neue Suchaktion wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig gestartet und soll bis voraussichtlich Freitag andauern. Ziel der Durchsuchung ist es, mögliche neue Erkenntnisse in dem Cold-Case zu gewinnen, der weltweit für Aufsehen sorgte. Unterstützung erhält die portugiesische Polícia Judiciária dabei von Beamten des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA). Welche konkreten Hinweise zu der jüngsten Suchmaßnahme geführt haben, ist offiziell nicht bekannt – die Ermittler halten sich mit Details bedeckt, um den Erfolg der Aktion nicht zu gefährden.
Die aktuelle Suche konzentriert sich Berichten zufolge unter anderem auf ein Haus im Großraum Lagos, in dem der deutsche Verdächtige Christian B. Anfang der 2000er Jahre gelebt haben soll. Laut portugiesischen Medien durchkämmen Einsatzkräfte das umliegende Gelände mit Spürhunden und Spezialgerät, auf der Suche nach Spuren, die im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Madeleine “Maddie” McCann stehen könnten. Offiziell bestätigte Angaben zum konkreten Suchort gibt es allerdings nicht. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ließ lediglich verlauten, dass in Portugal derzeit „strafprozessuale Maßnahmen“ in dem Fall durchgeführt werden – in Abstimmung mit den dortigen Behörden und unter Mithilfe des BKA. Weitere Informationen zu den Hintergründen wurden nicht publik gemacht. Es ist nicht die erste derartige Aktion: Bereits vor zwei Jahren hatten deutsche Ermittler eine Suchaktion in Portugal veranlasst, die jedoch wie frühere Ansätze ergebnislos blieb.
Madeleine McCann verschwand am Abend des 3. Mai 2007 spurlos aus der Ferienanlage Ocean Club im portugiesischen Praia da Luz. Die britische Arztfamilie McCann war im Urlaub an der sonnigen Algarve-Küste; während die Eltern Kate und Gerry McCann mit Freunden in einem nahegelegenen Restaurant zu Abend aßen, schliefen die dreijährige Maddie und ihre jüngeren Zwillingsgeschwister im Appartement. Als Madeleines Mutter gegen 22 Uhr nach den Kindern sehen wollte, fand sie das Bett der Dreijährigen leer vor. Trotz sofort eingeleiteter Suchmaßnahmen fehlte von Maddie jede Spur. Bis heute wurde kein Leichnam gefunden, doch die Ermittler vor Ort gingen früh davon aus, dass das Kind entführt und wahrscheinlich ermordet wurde.
Der Fall entwickelte sich zu einem der bekanntesten Vermisstenfälle weltweit. Die britische Zeitung Daily Telegraph beschrieb Madeleines Verschwinden als „den am intensivsten berichteten Vermisstenfall der modernen Geschichte“. Entsprechend groß war das mediale Interesse: Über Wochen dominierten Fotos des lächelnden Mädchens die Titelseiten in ganz Europa und darüber hinaus. Millionen Menschen beteiligten sich an der Suche, die Eltern starteten öffentliche Aufrufe und erhielten Unterstützung von Prominenten. Die internationale Aufmerksamkeit setzte auch die portugiesischen Behörden unter erheblichen Druck.
In den Jahren nach 2007 wurden zahllose Ermittlungsansätze verfolgt, doch keiner führte zum Durchbruch. Zeitweise gerieten sogar Madeleines eigene Eltern ins Visier der Ermittler: Die portugiesische Polizei vermutete damals aufgrund fragwürdiger Indizien, das Mädchen könnte in der Wohnung verunglückt sein und die Eltern hätten dies vertuscht. Kate und Gerry McCann wurden im September 2007 formell zu Verdächtigen erklärt – ein dramatischer Wendepunkt, der jedoch ohne Belege blieb. Im Juli 2008 stellte die portugiesische Justiz mangels Beweisen alle Ermittlungen ein und archivierte den Fall.
Doch die Suche nach der Wahrheit ging anderswo weiter. Madeleines Familie finanzierte private Detektive, und in Großbritannien startete die Londoner Metropolitan Police 2011 eine eigene Untersuchung namens Operation Grange, um den Fall neu aufzurollen. Über die Jahre folgten verschiedene neue Spuren: Im Jahr 2008 durchsuchte ein portugiesischer Anwalt auf eigene Faust mit Tauchern einen Stausee in der Algarve, nachdem ein Hinweis behauptet hatte, dort liege Madeleines Leiche – ohne Erfolg. 2014 untersuchten britische Beamte ein nahe der Ferienanlage gelegenes Brachgelände mit Spürhunden und Bodenradar, doch auch diese Aktion brachte keine neuen Erkenntnisse. Jede vermeintliche Spur – von angeblichen Sichtungen des Mädchens in aller Welt bis hin zu verschiedenen tatverdächtigen Einzeltätern – verlief bislang im Sande. Trotz der enormen öffentlichen Aufmerksamkeit und umfangreicher Ermittlungsarbeit blieb das Schicksal von Madeleine McCann ungeklärt.
Erst viele Jahre später geriet ein neuer Hauptverdächtiger in den Fokus der Ermittler: Christian B., ein heute 48-jähriger Deutscher aus Würzburg und mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter. Der einschlägig vorbestrafte B. hielt sich zwischen 1995 und 2007 immer wieder im Süden Portugals auf, arbeitete dort gelegentlich und lebte unweit des späteren Tatorts. Er kannte die Gegend von Praia da Luz gut und soll in unmittelbarer Nähe des Ferienresorts gewohnt haben.
Am 3. Juni 2020 – ziemlich genau 13 Jahre nach Maddies Verschwinden – machten das BKA und die Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend öffentlich, dass nun gegen Christian B. als Tatverdächtigen ermittelt wird. Die deutschen Behörden teilten damals mit, sie gingen inzwischen vom Mord an Madeleine McCann aus. Dieser Vorstoß führte international zu Schlagzeilen und einem erneuten Zeugenaufruf, unter anderem in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY… ungelöst. Zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung gingen daraufhin ein – doch der letzte Beweis, der B. mit Maddies Verschwinden in Verbindung bringt, fehlt bis heute.
Christian B. weist jede Verstrickung in den Fall von sich. Über seinen Anwalt ließ er ausrichten, er habe mit dem Verschwinden des Mädchens nichts zu tun. Medienberichten zufolge soll er sogar behauptet haben, zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht am Tatort gewesen zu sein, sondern mit einer jungen Frau außerhalb der Region – eine Behauptung, die bislang unbestätigt und zweifelhaft ist. Fakt ist: Christian B. lebte zum Zeitpunkt von Madeleines Verschwinden in einem Camper-Van in der Algarve und nutzte ein Handy, das am Tatabend unweit des Urlaubsortes eingeloggt war. Die Indizien reichten bisher allerdings nicht aus, um Anklage gegen ihn zu erheben.
Der deutsche Verdächtige sitzt derzeit aufgrund anderer Verbrechen in Haft: Das Landgericht Braunschweig verurteilte Christian B. Ende 2019 wegen der brutalen Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin zu sieben Jahren Gefängnis. Diese Tat hatte er im Jahr 2005 – also rund anderthalb Jahre vor Madeleines Verschwinden – in Praia da Luz begangen. Seine Strafe verbüßt B. in deutscher Haft; für den McCann-Fall wurde er hingegen bislang nicht angeklagt. Es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Die Ermittler in Braunschweig arbeiten zwar intensiv daran, belastbares Beweismaterial gegen ihn zu sammeln, doch ein formeller Tatnachweis steht noch aus.
Die Situation setzt die Behörden unter erheblichen Zeitdruck. Nach aktuellem Stand wird Christian B. spätestens Anfang 2026 seine Haft vollständig verbüßt haben und ein freier Mann sein. Tatsächlich endet seine gegenwärtige Strafe bereits im September 2025 – lediglich eine kurze Ersatzhaftstrafe oder Geldzahlung könnte seine Entlassung bis Januar 2026 hinauszögern. Sollte bis dahin keine Anklage oder kein Haftbefehl im Fall Madeleine McCann vorliegen, dürfte B. das Gefängnis verlassen und wäre nicht länger in Gewahrsam. Deutschlands zuständiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters warnt, der Verdächtige könnte dann umgehend das Weite suchen, möglicherweise ins Ausland. „Niemand kann ihn daran hindern“, so Wolters gegenüber Medien. Umso dringlicher versuchen die Ermittler nun, vor Ablauf dieser Frist neue Beweise zu finden – sei es durch die aktuellen Durchsuchungen in Portugal oder durch die Auswertung von Daten und Zeugenaussagen, die in den letzten Jahren zusammengetragen wurden.
Trotz aller Rückschläge geben weder die Strafverfolger noch Madeleines Familie die Hoffnung auf. Zum 18. Jahrestag von Maddies Verschwinden, Anfang Mai 2025, betonten ihre Eltern erneut ihre Entschlossenheit, “nichts unversucht zu lassen“, um das eigene Kind doch noch zu finden. In Gedanken sei ihre Tochter immer Teil der Familie, besonders an ihrem Geburtstag. Die britische Polizei hat erst kürzlich weitere finanzielle Mittel erhalten, um ihre Untersuchungen fortzusetzen. Und die deutschen Ermittler halten an Christian B. als Hauptverdächtigen fest, auch wenn sie öffentlich betonen, dass weiterhin in alle Richtungen ermittelt werde.
Ob die neue Suchaktion in Portugal endlich den lang ersehnten Durchbruch bringen wird, ist allerdings ungewiss. Schon die letzte großangelegte Suche Ende Mai 2023 – damals durchkämmten Polizei und Taucher drei Tage lang den Arade-Stausee in der Algarve – blieb ohne Erfolg. Viele Experten äußern sich skeptisch, ob nach so langer Zeit überhaupt noch verwertbare Spuren entdeckt werden können. Dennoch: Die Ermittler in Deutschland und Portugal wollen nichts unversucht lassen. Jeder noch so kleine Hinweis könnte entscheidend sein, um das Schicksal von Madeleine McCann doch noch aufzuklären und eines der bekanntesten ungelösten Verbrechen der letzten Jahrzehnte zu schließen.