
Am Samstag, den 24. Mai 2025, wird die Promenade in Münster erneut zur Bühne der etwas anderen Art. Zwischen 15 und 18 Uhr verwandelt sich der grüne Ring rund um die Altstadt für drei Stunden in ein weitläufiges Klangfeld. Bei der Grünflächenunterhaltung 2025 in Münster treten mehr als 70 Musikgruppen, Chöre, Duos und Solistinnen auf – nicht auf einer zentralen Bühne, sondern verteilt auf der gesamten Strecke.
Was diese Veranstaltung von anderen unterscheidet: Es gibt keine Technik, keine Lautsprecher, keine Bühne. Keine Werbebanner, keine Stände, keinen Eintritt. Und doch entsteht jedes Jahr ein besonderer Moment. Menschen bleiben stehen, lauschen, gehen weiter, kommen zurück. Die Musik ist nicht laut, nicht dominant, sondern eingebettet in die Umgebung. Gespielt wird für die Pflanzen – und für alle, die zuhören wollen.
Die Geschichte dieser Veranstaltung beginnt mit einem Bruch. Im Januar 2007 richtete der Orkan Kyrill schwere Schäden in vielen Teilen Deutschlands an. Auch Münster war betroffen, besonders die Promenade. Dort, wo sonst dichtes Grün und gewachsene Bäume das Stadtbild prägten, lagen Äste, Stämme und entwurzelte Baumreihen.
Die Zerstörung war nicht nur physisch sichtbar, sie traf auch die emotionale Verbindung der Stadtbevölkerung zu ihrem wichtigsten Naherholungsraum. Die Reaktion darauf war ungewöhnlich. Statt klassischer Wiederaufbaumaßnahmen kam es zu einer künstlerischen Geste: Musikerinnen und Musiker begannen, der Natur etwas zurückzugeben – mit Musik.
Diese Idee war nicht als großes Festival gedacht. Es ging darum, Pflanzen mit Aufmerksamkeit zu begegnen. Inspiriert von der Vorstellung, dass Musik auf Wachstum wirkt, entwickelte sich ein Format, das heute fest zum kulturellen Kalender der Stadt gehört.
Die Grünflächenunterhaltung in Münster iat auch 2025 kein Event im üblichen Sinn. Sie ist frei zugänglich, ehrenamtlich organisiert und komplett stromlos. Es gibt keinen Konsumzwang, keine Stände, keine Werbung und keinen Müll. Wer teilnimmt – ob als Musiker oder Zuhörer – wird Teil eines öffentlichen Raums, der für drei Stunden anders funktioniert.
Die Regeln sind bewusst einfach gehalten. Musiker treten ohne elektronische Verstärkung auf. Es wird keine Gage gezahlt. Besucher sind eingeladen, sich frei zu bewegen, stehenzubleiben, sich treiben zu lassen. Alles bleibt dezent, respektvoll und offen.
Nach Ende der Veranstaltung bleibt nichts zurück außer Eindrücken. Keine Kabel, keine Verpackungen, keine Geräusche. Die Promenade wirkt wie immer – und ist dennoch kurzzeitig anders gewesen.
Auch in diesem Jahr wird das Programm von einer großen musikalischen Bandbreite geprägt sein. Die Gruppen kommen aus Münster, der Region, aus anderen Teilen Deutschlands und darüber hinaus. Das Spektrum reicht von A-Cappella-Gesang bis zu Indie-Rock, von traditioneller Blasmusik bis zu Handpan-Klängen, von osteuropäischer Folklore bis zu Jazz und Soul.
Den musikalischen Auftakt machen unter anderem God Loves Green, eine Indie-Rock-Band mit umweltpolitischem Anspruch, und Canarinhos & Bandidas, die Samba-Reggae und funkige Beats mitbringen. Auch Freunde traditioneller Klänge kommen auf ihre Kosten: Die Düsseldorfer Banjo-Band präsentiert Dixieland und Gospelstücke, während das Duo Ohrenschmalz mit Musik aus der Schellack-Ära überrascht. Die ukrainische Gruppe Tscherwona Kalyna bringt Volkslieder auf die Promenade, ergänzt von der Kindertanzgruppe Ptashky, die ebenfalls aus der Ukraine stammt. Für ruhige, atmosphärische Momente sorgen Handpantastic mit sphärischen Handpan-Klängen sowie das Piano-Saxophon-Duo 2 the Stars.
Das Jazz- und Soul-Spektrum vertreten Gruppen wie Jazzfabrik, Soulfoxx, Banda und PATCHO STAR, während Julima, Frau Rotgängerin, Jule & Mattis und Martin Pierick moderne Singer-Songwriter-Beiträge liefern. Die Vielfalt der Chöre ist groß: Mit dabei sind unter anderem Swinging Voices, Blue Notes, vielSTIMMIG, CHORIOSUM, der Chor der medizinischen Fakultät und Chor Vierteltakt. Ergänzt wird das Programm durch Bläsergruppen wie das Zuzel-Quartett und die Alphornbläser, Klangexperimente von Michael Kolberg oder Babel 3, sowie ungewöhnliche Acts wie den Zirkus FassungsLos mit Akrobatik und Jonglage. Auch Gruppen wie Die Schallermanns, Silver Riders, Wintergarten, MONKEY BRAINS und das DaCapo Salonorchester sind Teil des Programms – genau wie viele Kinder- und Jugendformate, darunter die Little Stars und die Seifenblasen-Künstler Hacki und Möppi. Gemeinsam gestalten sie eine klangliche Vielfalt, die weit über typische Stadtfeste hinausgeht.
Die Auftrittsorte verteilen sich auf die gesamte Strecke der Promenade. Es gibt keine fixen Zeitpläne, keine zentrale Übersicht. Wer unterwegs ist, entdeckt Klanginseln zufällig. Genau das gehört zum Prinzip. Es geht nicht um eine Show, sondern um Atmosphäre, Begegnung und Offenheit.
Die Idee, dass Pflanzen auf Musik reagieren, mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Doch sie ist nicht neu. Studien zeigen, dass bestimmte Klänge die Entwicklung von Pflanzen beeinflussen können. In der Landwirtschaft – etwa im Weinbau – wird diese Erkenntnis bereits genutzt.
In Münster ist daraus ein öffentlicher Impuls geworden. Die Grünflächenunterhaltung in Münster versteht auch 2025 Musik als Kommunikationsform – nicht nur zwischen Menschen, sondern auch zwischen Mensch und Umwelt. Die Natur ist nicht bloß Kulisse, sondern Adressatin der musikalischen Zuwendung.
Gleichzeitig schafft das Format einen Raum, in dem sich auch Menschen anders begegnen. Wer durch die Promenade geht, wird langsamer. Man hört genauer hin, spricht leiser, bleibt häufiger stehen. Die Atmosphäre ist konzentriert, aber nicht angespannt – vielmehr offen und gelassen.
Die Grünflächenunterhaltung ist längst kein lokales Projekt mehr. Die Stadt Münster stellt das Format regelmäßig auf der Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin vor. Hotels in der Innenstadt bieten spezielle Pakete für Gäste an, die anreisen möchten.
Viele Musiker kommen aus den Nachbarländern – darunter Gruppen aus Frankreich, den Niederlanden oder Polen. 2018 war sogar ein australischer Liedermacher dabei. Das zeigt: Die Veranstaltung hat eine Ausstrahlung über die Stadt hinaus. Nicht durch große Werbung oder mediale Inszenierung, sondern durch ihre besondere Form und Konsequenz.
Auch das Publikum ist vielfältig: Anwohnerinnen und Anwohner, zufällige Spaziergänger, gezielte Besuchergruppen, Kulturinteressierte, Familien und Musikliebhaber. Einige kommen gezielt jedes Jahr wieder. Für andere ist es ein überraschender Fund entlang ihres Weges.