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Wiedereröffnung Rathaus Münster 1956: Ein Neuanfang für ein Wahrzeichen

Die Stadt Münster schützt das Historische Rathaus am Prinzipalmarkt durch Videoüberwachung vor Vandalismus und wahrt die kulturelle Bedeutung des Gebäudes. Münster passt Gebühren für 2025 an: Abwasser, Straßenreinigung und Buspreise teurer. Abfallgebühren stabil. Bezahlkarte für Geflüchtete abgelehnt. Der Haushaltsplan 2025 für die Stadt Münster ist genehmigt. Erfahre mehr über steigende Sozialkosten, Maßnahmen und Investitionen. Die Debatte um Straßenumbenennungen in Münster spitzt sich zu. CDU lehnt Änderungen ab, während die Grünen auf Bürgerbeteiligung und Aufarbeitung setzen. Münster plant die Geflüchtetenunterkunft Gievenbeck als modernen Ersatzbau mit nachhaltigem Konzept. Entscheidung im Stadtrat im Februar 2025.

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Vor 69 Jahren erlebte Münster einen historischen Moment: die feierliche Wiedereröffnung des historischen Rathauses Münster am 25. März 1956. Dieses Ereignis markierte den erfolgreichen Abschluss eines außergewöhnlichen Wiederaufbauprojekts nach dem Zweiten Weltkrieg und knüpfte an die jahrhundertealte Tradition des Westfälischen Friedens an. Der Tag wurde von Bürgern und Medien als Symbol für den Wiederaufstieg der Stadt und die Rückbesinnung auf ihre Wurzeln gefeiert. Dieser Artikel blickt zurück auf die bewegende Geschichte des Rathauses – von seiner Bedeutung im 17. Jahrhundert über die Zerstörung 1944 bis hin zum Wiederaufbau und der symbolträchtigen Wiedereröffnung 1956 – und fragt, welche Rolle das Rathaus heute spielt.

Historisches Rathaus Münster und der Westfälische Frieden

Das historische Rathaus am Prinzipalmarkt ist weit mehr als ein schönes gotisches Gebäude – es ist ein Schauplatz europäischer Geschichte. Im Jahr 1648 wurde hier im Friedenssaal der Westfälische Frieden geschlossen, der den Dreißigjährigen Krieg beendete​. Münster und Osnabrück wurden damals zu Synonymen für den Friedensschluss, der die politische Landkarte Europas neu ordnete. So gilt das Rathaus bis heute als Symbol für Diplomatie und Einigung – und sogar als „Geburtsort“ der Niederlande in ihrer modernen Form, da im Frieden von Münster am 15. Mai 1648 der Unabhängigkeitskrieg der Niederlande gegen Spanien beendet wurde​. Die prunkvolle gotische Fassade mit ihren filigranen Bögen und Türmchen war über Jahrhunderte ein Wahrzeichen städtischen Stolzes. Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg galt das Rathaus als eines der bedeutendsten weltlichen Baudenkmäler der Gotik – und dank des originalgetreuen Wiederaufbaus trifft dies heute wieder zu​.

Zerstörung im Zweiten Weltkrieg: Verlust eines Wahrzeichens

Die NS-Diktatur und der Zweite Weltkrieg brachten auch über Münster großes Leid. Bei einem verheerenden Luftangriff am 28. Oktober 1944 wurde das Rathaus von mehreren Bomben getroffen und brannte vollständig aus​. Augenzeugen berichten, dass der berühmte Giebel kurz nach 18 Uhr in sich zusammenstürzte und als Schuttberg auf dem Prinzipalmarkt liegen blieb​. Die einst prächtige Halle des Westfälischen Friedens – der Friedenssaal – war plötzlich eine Ruine unter freiem Himmel. Nur wenige Teile, wie die unteren Arkadenbögen, überstanden den Angriff. Münster insgesamt lag zu Kriegsende 1945 in Trümmern; das historische Rathaus Münster stand stellvertretend für den kulturellen Verlust, den die Stadt verkraften musste. Doch gerade dieses Gebäude, das im Zweiten Weltkrieg Münster fast genommen wurde, sollte zum Hoffnungssymbol für den Wiederaufbau werden.

Unmittelbar nach Kriegsende blieb die Ruine des Rathauses zunächst unberührt. Während rundherum am Prinzipalmarkt bereits neue Giebelhäuser entstanden und von Aufbruch zeugten, ragten im Herzen der Stadt die Überreste des Rathauses trostlos empor​. Dennoch war der Wille stark, dieses Wahrzeichen nicht aufzugeben. Bereits 1948 – pünktlich zum 300. Jahrestag des Westfälischen Friedens – sorgte die Stadt dafür, dass zumindest der Friedenssaal notdürftig hergerichtet wurde. Die kostbare hölzerne Vertäfelung, die Decke und das Inventar dieses Saales waren 1942 vorsorglich ausgelagert worden und überstanden den Krieg unbeschadet​. So konnte der Friedenssaal im Oktober 1948 in der gesicherten Ruine feierlich eingeweiht werden​. Diese erste Teileröffnung noch mitten in den Trümmern zeigte bereits die Symbolkraft des Ortes: Münster knüpfte an seine Friedens-Tradition an, um Mut für den Neuanfang zu schöpfen.

Wiederaufbau als Gemeinschaftsleistung (1948–1958)

Nachdem der Friedenssaal gerettet war, drängte die Bürgerschaft bald auf den Wiederaufbau des gesamten Rathauses. Ende 1948 beschloss der Verein der Kaufmannschaft zu Münster unter Vorsitz von Friedrich Leopold Hüffer, die Initiative zu ergreifen​. Die Stadt selbst hatte nach Kriegsende andere Prioritäten (Wohnungen, Schulen, Infrastruktur), doch die Kaufleute und Bürger ließen nicht locker. Im Mai 1950 gab der Stadtrat schließlich grünes Licht, sogar unter der Bedingung, dass die Finanzierung weitgehend durch privates Engagement gestemmt würde​. Ein „Ausschuss für den Wiederaufbau des Rathauses“ wurde gegründet, und Münsters Bevölkerung startete eine beispiellose Spendenkampagne​.

Wichtige Stationen: Von der Zerstörung bis zur Wiedereröffnung

  • 9. Juli 1950 – Grundsteinlegung: Mehr als 30.000 Münsteraner versammelten sich auf dem Prinzipalmarkt, als mit dem ersten Stein symbolisch der Wiederaufbau begann​. Sogar der aus Münster stammende ehemalige Reichskanzler Heinrich Brüning reiste aus dem Exil an und wohnte der Zeremonie als Ehrenbürger bei​. Diese Resonanz zeigte, welchen starken emotionalen Wert das Rathaus für die Stadtgemeinschaft besaß​.
  • 1950–1954 – Baufortschritt: In den folgenden Jahren schritt der Aufbau zügig voran, trotz Material- und Geldknappheit. Bereits am 9. Juli 1952 – genau zwei Jahre nach der Grundsteinlegung – konnte Richtfest gefeiert werden​. Bis Herbst 1954 war der markante Giebel in alter Pracht vollendet. Am 30. Oktober 1954, zehn Jahre nach seiner Zerstörung, wurde die wiedererrichtete Fassadenfront feierlich der Öffentlichkeit präsentiert​. Die Außenhülle des Rathauses war damit in nur vier Jahren weitgehend fertiggestellt​.
  • Finanzierung durch Rathaus-Lotterien: Weil die Stadtkasse leer war, finanzierten die Bürger den Wiederaufbau maßgeblich selbst. Acht Rathaus-Lotterien mit Losen zu 50 Pfennig wurden durchgeführt​. Schon die erste Lotterie 1950 verkaufte 500.000 Lose​. Insgesamt kamen 873.000 DM zusammen – fast die Hälfte der Gesamtkosten des Wiederaufbaus​. In einem provisorischen „Glückskeller“ beim zerstörten Stadtweinhaus wurden attraktive Gewinne ausgestellt, vom westfälischen Schinken bis zum Borgward-Auto, um die Spendenbereitschaft anzukurbeln​​. Diese breit angelegte Bürgeraktion schweißte die Stadtgesellschaft zusammen und machte den Rathausbau zu „einem Geschenk an die Stadt“​.
  • 25. März 1956 – Feierliche Wiedereröffnung: An diesem Sonntag vor 69 Jahren war es schließlich so weit – das historische Rathaus wurde feierlich wiedereröffnet. Stadt und Bürgerschaft feierten das Gebäude als auferstandenes Herz der Stadt. Die Schlüsselübergabe symbolisierte, dass Münster sein altes neues Rathaus zurückerhalten hatte. (Details zur Zeremonie siehe unten.)
  • 30. Oktober 1958 – Endgültige Fertigstellung: Zum 310. Jubiläum des Westfälischen Friedens war der Wiederaufbau vollständig abgeschlossen​. An diesem Tag wurde das Rathaus offiziell an die Stadt übergeben​. Tausende Münsteraner wohnten der festlichen Übergabe bei – ein denkwürdiger Moment, der den langen Wiederaufbau endgültig krönte​.

Die Zeremonie am 25. März 1956: Hoffnung und Historie

Die Wiedereröffnung des Rathauses am 25. März 1956 war der emotionale Höhepunkt des Wiederaufbaus. Obwohl die letzten Arbeiten im Inneren noch bis 1958 dauern sollten, erklärte man das Rathaus bereits an diesem Tag symbolisch für „wiedererstanden“. Die Stadtregierung – angeführt vom Oberbürgermeister – hatte Vertreter der Landespolitik, der Kirche, der britischen Besatzungsmacht und zahlreiche Bürger eingeladen, um gemeinsam dieses Ereignis zu begehen. In Reden wurde die historische Bedeutung des Hauses hervorgehoben: Hier, wo einst der Westfälische Frieden verhandelt wurde, versammelte man sich nun erneut in Friedenszeiten, um den Wiederaufbau zu feiern. Diese Parallele verlieh der Feier eine tiefe Symbolik. Viele Redner betonten, dass Münsters Rathaus wie kein zweites Gebäude für die Fähigkeit stehe, nach Krieg und Zerstörung wieder Frieden und Freiheit aufzubauen – in der Stadt wie in ganz Europa.

Die Zeremonie selbst verband Vergangenheit und Gegenwart auf eindrucksvolle Weise. Unter den Klängen des Glockenspiels – das später durch ein Porzellanglockenspiel ersetzt wurde – öffneten sich nach elf Jahren erstmals wieder offiziell die Türen des Ratsgebäudes. Eine Gedenktafel erinnerte an die Zerstörung 1944 und den Wiederaufbau 1950–1956, sodass niemand die Bürden und Leistungen der Zwischenzeit vergaß. Der Oberbürgermeister dankte ausdrücklich den Bürgern Münsters und allen Helfern im Umland für ihren Einsatz: „Dieses Rathaus ist Ihr Werk, ein Werk der ganzen Stadtgemeinschaft“, rief er unter Applaus. Anschließend zog ein Festzug durch die Innenstadt, und im Friedenssaal fand ein ökumenischer Dankgottesdienst statt – eine bewusste Anknüpfung an den Geist von 1648.

Reaktionen von Stadt und Medien

In Münster selbst wurde die Wiedereröffnung 1956 als Zeichen der Hoffnung und des Stolzes gefeiert. Die lokalen Zeitungen berichteten begeistert über das „neue alte Rathaus“, das wie ein Phönix aus der Asche auferstanden sei. Man sprach vom „Wahrzeichen unserer Unzerstörbarkeit“, das zeige, wie Münster seine Tradition und Identität trotz aller Widrigkeiten bewahre. Die Bürger strömten in den folgenden Wochen in Scharen herbei, um ihren Rathaussaal zu besichtigen – viele zum ersten Mal seit Vorkriegszeiten. Diese breite positive Resonanz stand im Vordergrund​.

Dennoch blieben vereinzelte kritische Stimmen nicht aus. Architekturexperten und auch überregionale Medien diskutierten durchaus kontrovers, wie der Wiederaufbau umgesetzt worden war. Manche bemängelten etwa, die Innenräume wirkten zu modern und hätten den historischen Charakter nicht exakt getroffen. So ätzte die Frankfurter Allgemeine Zeitung 1958, das neue Interieur erinnere stellenweise an eine „Großbank oder ein Grandhotel“​. Solche Meinungen waren jedoch in der Minderheit. Die überwältigende Mehrheit der Münsteraner und Westfalen war einfach glücklich, ihr architektonisches Erbe wiedergewonnen zu haben. Eine regelrechte Euphorie über den Rathaus-Wiederaufbau erfasste nicht nur Münster, sondern das gesamte Umland​. In einer vom Krieg traumatisierten Gesellschaft bot das fertiggestellte Rathaus einen Anknüpfungspunkt an bessere Zeiten – und an die bürgerlichen Werte von Frieden und Freiheit, für die Münster seit 1648 stand.

Das Rathaus heute: Nutzung, Gedenken und Bedeutung

Heute, 69 Jahre nach der Wiedereröffnung, ist das historische Rathaus aus dem Stadtbild Münsters nicht wegzudenken. Dabei dient es längst nicht mehr als alltägliches Verwaltungszentrum – die Stadtverwaltung und das Büro des Oberbürgermeisters sind schon seit 1907 in modernen Gebäuden (Stadthäusern) untergebracht​. Ratssitzungen finden jedoch bis heute gelegentlich im historischen Rathaus statt, vor allem zu besonderen Anlässen​. Der prächtige Friedenssaal, in dem 1648 die Gesandten tagten, wird für Empfänge, Ausstellungen und Zeremonien genutzt. So verleiht die Stadt Münster dort beispielsweise alle zwei Jahre den „Preis des Westfälischen Friedens“, um Persönlichkeiten für ihren Einsatz für den Frieden zu ehren – eine Tradition, die direkt an die historische Bedeutung des Saales anknüpft.

Auch für die Öffentlichkeit ist das Rathaus ein lebendiger Erinnerungsort. Touristen besuchen es als eine der Hauptattraktionen Münsters – allein im Jahr 2012 wurden rund 120.000 Besucher gezählt​, die den Friedenssaal und die gotische Architektur bewundern. Im Jahr 2015 erhielten die Rathäuser von Münster und Osnabrück sogar das Europäische Kulturerbe-Siegel von der Europäischen Kommission verliehen, als Würdigung ihrer Schlüsselrolle für das geeinte Europa​. Damit wurde offiziell anerkannt, was Einheimische längst fühlen: Das Rathaus von Münster ist ein europäisches Symbol für den Triumph von Diplomatie über Krieg.

Und der denkwürdige 25. März 1956? Als festes Datum im städtischen Kalender wird er heute nicht jährlich gefeiert, doch sein Geist lebt fort. Größere Jubiläen werden sehr wohl gewürdigt: Zum 50. Jahrestag des Wiederaufbaus veranstaltete die Stadt 2008 eine Sonderausstellung im Stadtmuseum unter dem Titel „Das Rathaus – ein Geschenk an die Stadt“, die die Jahre 1948 bis 1958 in Fotos nachzeichnete​. Solche Rückblicke rufen ins Gedächtnis, wie viel Einsatz und Herzblut die Münsteraner der Nachkriegsgeneration in die Rekonstruktion ihres Wahrzeichens gesteckt haben. Das Rathaus selbst steht heute wie ein Mahnmal und zugleich ein Hoffnungssignal da: Es erinnert an die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, zeigt aber ebenso stolz den Wiederaufbauwillen und Gemeinschaftsgeist seiner Bürger. Jeder Schritt durch die Bogenhalle und jeder Blick auf den goldenen Reichsadler am Giebel ruft in Erinnerung, dass Frieden und Aufbau immer möglich sind – eine Botschaft, die 69 Jahre nach der Wiedereröffnung nichts von ihrer Strahlkraft verloren hat.

Fazit

Die feierliche Wiedereröffnung des Rathauses Münster im März 1956 war mehr als eine städtische Feier – sie war ein Symbol für den Neuanfang Deutschlands nach dem Krieg und für die Widerstandskraft der eigenen Geschichte. Das historische Rathaus, einst Ort des Westfälischen Friedens, wurde zum monumentalen Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Bis heute erzählt es von Zerstörung und Wiederaufbau, von Bürgerstolz und europäischer Friedenshoffnung. Münster gedenkt dieses Erbes nicht nur an runden Jahrestagen, sondern jedes Mal, wenn Touristen staunend im Friedenssaal stehen oder wenn im Ratssaal wichtige Entscheidungen fallen. Die „Wiedereröffnung Rathaus Münster 1956“ bleibt damit ein Meilenstein, der auch künftigen Generationen vor Augen führt, wie aus Trümmern neues Leben erwachsen kann – im Herzen der Stadt und im Herzen der Menschen.