Vom gefeierten Arzt zum verurteilten Täter
Andreas N., ein promovierter und habilitierter Chirurg, genoss lange den Ruf eines idealen Arztes. Seine Karriere begann vielversprechend, und seine Fachkompetenz wurde sowohl von Kollegen als auch Patienten geschätzt. Doch hinter der Fassade eines erfolgreichen Mediziners verbarg sich ein dunkles, zerstörerisches Geheimnis: N. war ein langjähriger Drogenkonsument, der seine Sucht und sadistische Neigungen in seinem Privatleben auslebte.
Seine Kindheit war von Trauma und Gewalt geprägt. Nach der Scheidung der Eltern lebte Andreas N. bei seinem Vater, einem gewalttätigen Psychologen, der ihn psychisch und physisch missbrauchte. Diese Erfahrungen prägten sein späteres Verhalten maßgeblich. Dennoch zeigte er früh intellektuelle Brillanz, schloss sein Studium mit Auszeichnung ab und etablierte sich in der medizinischen Welt – ein scheinbarer Triumph über die Schatten seiner Vergangenheit. Doch diese Schatten sollten ihn bald einholen.
Am 20. Februar 2018 schrieb Andreas N. früh am Morgen eine seiner Patientinnen, die 38-jährige Yvonne M., an. Sie war verheiratet und hatte einen 13-jährigen Sohn, aber schon seit Monaten eine sexuelle Beziehung zu dem Arzt. Sie mochte die von ihm praktizierten SM-Spiele, die Handfesseln und die Augenbinde, die für sie Teil einer aufregenden Affäre waren. An diesem Tag, als ihr Mann auf Dienstreise war, folgte sie der Einladung zu N., ohne zu ahnen, dass es ihr letzter Besuch sein würde.
Im Verlauf ihres Treffens begann N., ihr Kokain zu verabreichen, wie er es offenbar bereits zuvor getan hatte. Doch dieses Mal verlor Yvonne M. immer wieder das Bewusstsein, litt an Atemnot und klagte über Herzrhythmusstörungen. Sie fragte den Arzt mehrfach mit schwacher Stimme, was er ihr gegeben habe, doch seine Antworten waren ausweichend. Statt ihr zu helfen, setzte N. seine Handlungen fort und verabreichte ihr mehr Drogen. Gegen 15:30 Uhr, als ihr Herz stehen blieb, rief er schließlich den Notarzt. Doch es war zu spät. Yvonne M. starb kurz darauf im Krankenhaus. Die toxikologische Untersuchung ergab eine extrem hohe Kokainkonzentration, die weit über den üblichen Messwerten lag.
Nach Yvonne M.s Tod begann die Polizei mit umfangreichen Ermittlungen. Zunächst deutete alles auf einen tragischen Unfall hin, doch schnell wurden Unstimmigkeiten deutlich. Angehörige beteuerten, dass Yvonne niemals Drogen konsumiert habe. Die Ermittler fanden schließlich heraus, dass N. Kokain nicht nur oral verabreichte, sondern es auch über Schleimhäute, Wunden und sogar Alltagsgegenstände wie Zahnpasta oder Lippenstift in den Körper seiner Opfer brachte. Der Fall von Yvonne M. war kein Einzelfall.
Weitere Opfer melden sich
Die Polizei stellte fest, dass Andreas N. systematisch Frauen manipulierte, um seine sadistischen Neigungen auszuleben. Über Jahre hinweg hatte er mindestens sieben Frauen Drogen verabreicht, um sie sexuell gefügig zu machen. Einige Frauen berichteten von Erlebnissen, bei denen sie nach einem Glas Sekt oder einer Cola plötzlich das Bewusstsein verloren hatten. Andere schilderten, wie N. während des Geschlechtsverkehrs brutal wurde, sie schlug und ihre Bitten ignorierte, mit den Drogen aufzuhören. Besonders schockierend war die Erkenntnis, dass N. selbst dann nicht aufhörte, wenn Frauen explizit ablehnten, Drogen zu nehmen.
Die Ermittlungen führten zur Anklage gegen Andreas N. vor dem Landgericht Magdeburg. Der Prozess begann im Herbst 2018 und brachte schockierende Details ans Licht. Videomaterial, das N. selbst aufgenommen hatte, zeigte, wie er Frauen gezielt in Zustände völliger Hilflosigkeit versetzte. Die Taten waren kein Zufall, sondern systematisch geplant.
Im Januar 2019 wurde Andreas N. zu neun Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er in fünf Fällen schwere Vergewaltigungen und gefährliche Körperverletzungen begangen hatte, darunter die tödliche Körperverletzung von Yvonne M. Nach der Haftstrafe muss er eine Therapie in einer Entziehungsanstalt absolvieren. Zudem ordnete das Gericht eine Sicherungsverwahrung an, um die Öffentlichkeit langfristig zu schützen. Drei Frauen wurden Schadensersatz zugesprochen.
Zusätzlich zu seiner Freiheitsstrafe wurde Andreas N. im Jahr 2023 vom Landgericht Magdeburg dazu verurteilt, Schadensersatz in Höhe von 13.280,37 Euro an die Krankenkasse eines weiteren Opfers zu zahlen. Die Krankenkasse hatte für die Krankenhauskosten einer Frau aufgekommen, die ebenfalls an einer Kokainvergiftung starb. N. hatte ihr die Droge heimlich während eines sexuellen Treffens verabreicht.
Der Arzt legte Berufung gegen das Urteil ein und bestritt weiterhin jede Schuld. Er behauptete, der Frau weder Drogen verabreicht noch für ihren Tod verantwortlich zu sein. Das Oberlandesgericht Naumburg wies seine Berufung jedoch zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts. Es sah keine Fehler in der ursprünglichen Entscheidung.
Mit dieser Zurückweisung ist das Schadensersatzurteil rechtskräftig, und Andreas N. bleibt auch in der zweiten Instanz erfolglos. Sein Fall wirft ein erschreckendes Licht auf die Gefahren, die von Personen ausgehen können, die ihre gesellschaftliche Position und ihr Fachwissen missbrauchen. Die Konsequenzen seines Handelns haben sowohl juristisch als auch gesellschaftlich Spuren hinterlassen und unterstreichen die Notwendigkeit konsequenter Strafverfolgung.