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Im Dezember 2008 verschwand der 30-jährige Alexander H. spurlos. Seine Familie war beunruhigt, doch es gab keine eindeutige Spur. Die Ermittlungen verliefen zunächst ergebnislos, und für viele schien es, als sei der junge Mann ohne jede Vorwarnung aus seinem Leben verschwunden. Niemand konnte sich damals vorstellen, dass der Schlüssel zu diesem Rätsel in einem unscheinbaren Haus in einem Münchner Vorort lag. Die Täterin war niemand anderes als seine langjährige Freundin Gabriele P.
Gabriele P. und Alexander H. hatten sich bereits in ihrer Jugend kennengelernt und führten eine langjährige Beziehung. Nach außen hin wirkte alles harmonisch, doch hinter den Kulissen gab es Spannungen. Gabriele P. beschrieb später, dass Alexander H. zwei Gesichter hatte: Einerseits sei er intelligent, humorvoll und gut erzogen gewesen, andererseits habe er sie gedemütigt und in eine Beziehung voller Sadomaso-Praktiken gezogen. Trotz dieser angeblichen Missstände blieb sie bei ihm, vielleicht aus Abhängigkeit oder Angst vor einem endgültigen Bruch.
Zwischen dem 13. und 21. Dezember 2008 ereignete sich schließlich das grausame Verbrechen, das später als Kreissägen-Mord bekannt wurde. Die beiden befanden sich im Dachgeschoss ihres Hauses, wo sie sich häufig ihren gemeinsamen Sexspielen widmeten. An diesem Abend war Alexander H. mit einer abgeklebten Taucherbrille ans Bett gefesselt – offenbar ein geplanter Teil ihres Rollenspiels. Doch dann geschah das Unfassbare. Gabriele P. griff zu einer Handkreissäge, setzte sie an seiner Brust an und durchtrennte seine Schlüsselbeine sowie das Brustbein. Innerhalb von Sekunden war das Opfer tödlich verletzt. Schließlich trennte sie ihm den Kopf ab.
Ob Alexander H. zu diesem Zeitpunkt noch am Leben war, konnte im Prozess nicht endgültig geklärt werden. Die extreme Gewalt und die Art der Tat ließen Zweifel an einer spontanen Handlung aufkommen. Ermittler stellten die Frage, ob es sich um eine Affekttat oder um ein geplantes Verbrechen mit besonderer Schwere der Schuld handelte.
Nach der Tat unternahm Gabriele P. alles, um die Spuren ihres Verbrechens zu verwischen. Sie blieb äußerlich ruhig und begann Anfang 2009 eine neue Beziehung mit einem anderen Mann. Als dieser einige Monate später während ihrer Abwesenheit auf ihre Katze aufpasste, entdeckte er die Leiche von Alexander H. in der Wohnung. Doch anstatt sofort die Polizei zu rufen, konfrontierte er Gabriele P. mit seiner Entdeckung. Gemeinsam mit einem weiteren Freund entschied er sich, ihr zu helfen, und sie vergruben die sterblichen Überreste im Garten des Hauses. So blieb das Verbrechen jahrelang unentdeckt.
Erst 2016 sollte sich das Schicksal von Gabriele P. endgültig wenden. Eine Freundin der Täterin hörte Gerüchte über den Mord und meldete ihre Verdachtsmomente der Polizei. Die Ermittler durchsuchten daraufhin das Grundstück und fanden die Überreste von Alexander H. vergraben. Gabriele P. und ihr neuer Freund wurden festgenommen. Die Kriminalisten rekonstruierten den Tatablauf und bereiteten die Anklage vor.
Der Prozess begann im Februar 2017 und dauerte zwei Monate. Während der Verhandlung zeigte sich Gabriele P. emotionsgeladen, war aber nicht in der Lage, eine kohärente Erklärung für ihr Handeln abzugeben. Sie sprach von Erinnerungslücken und betonte, dass sie die Tat nicht geplant habe. Auch in ihrem später aufgefundenen Tagebuch beschrieb sie Angst als ihr mögliches Motiv. Sie berichtete von jahrelanger Demütigung und Unterdrückung in der Beziehung, allerdings hatte sie nie Hilfe gesucht oder jemandem von ihren Problemen erzählt.
Die Verteidigung versuchte, diese Darstellung zu untermauern, indem sie psychologische Gutachten heranzog, die eine schwere emotionale Belastung nahelegten. Dennoch stand die Frage im Raum, ob diese Faktoren tatsächlich zu einer derart brutalen Tat führten oder ob Gabriele P. bewusst und vorsätzlich gehandelt hatte.
Juristisch wird zwischen Mord und Totschlag unterschieden. Mord liegt vor, wenn mindestens eines der sogenannten Mordmerkmale erfüllt ist. Dazu zählen unter anderem Heimtücke, Grausamkeit, Mordlust oder Habgier. Bei Heimtücke nutzt der Täter die Wehrlosigkeit seines Opfers aus, während Grausamkeit bedeutet, dass das Opfer besonders grausam gequält wird.
Totschlag hingegen beschreibt eine vorsätzliche Tötung, bei der keine der Mordmerkmale nachweisbar sind. Wenn eine Tat im Affekt oder aufgrund einer emotionalen Ausnahmesituation geschieht, kann dies zur Einstufung als Totschlag führen. Das Strafmaß für Totschlag liegt in Deutschland zwischen fünf und 15 Jahren, während Mord zwingend mit lebenslanger Haft bestraft wird.
Im Fall von Gabriele P. sah das Gericht keine ausreichenden Beweise für eine heimtückische Tatplanung. Zwar war das Opfer gefesselt, doch es ließ sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass Gabriele P. diesen Umstand bewusst zur Tötung ausnutzte. Auch Grausamkeit konnte nicht in ausreichendem Maße festgestellt werden, da laut Gutachten das Opfer vermutlich sehr schnell bewusstlos wurde. Daher wurde sie wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt.
Am 19. Mai 2017 wurde das Urteil verkündet. Gabriele P. wurde wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine lebenslange Haftstrafe blieb ihr erspart, da keine besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde. Auch die beiden Männer, die ihr bei der Beseitigung der Leiche geholfen hatten, wurden verurteilt. Ihre Strafen wurden in einem separaten Verfahren festgesetzt.
Der Kreissägen-Mord ist ein Fall, der die Öffentlichkeit erschütterte und bis heute Fragen aufwirft. Wie konnte eine langjährige Beziehung in einem derart brutalen Verbrechen enden? War Gabriele P. tatsächlich das Opfer einer toxischen Partnerschaft, das in einem Moment der Verzweiflung handelte? Oder steckte doch eine heimtückische Planung hinter der Tat? Auch wenn das Gericht zu einer Entscheidung kam, bleibt der Fall ein düsteres Beispiel für die Abgründe menschlicher Beziehungen und die Unberechenbarkeit extremer Gewalt.