
Mit der 17. Änderung des Schulgesetzes plant Nordrhein-Westfalen eine tiefgreifende Reform des Bildungssystems. Künftig sollen Realschulen regulär Hauptschulbildungsgänge anbieten können – nicht mehr nur im Ausnahmefall. Das Vorhaben, das ab dem Schuljahr 2025/26 in Kraft treten könnte, wird kontrovers diskutiert.
Ziel der Reform ist es, ein wohnortnahes und vielfältiges Bildungsangebot sicherzustellen – vor allem in Regionen, in denen Hauptschulen zunehmend verschwinden. Realschulen sollen künftig die Möglichkeit haben, bereits ab Klasse 5 und regulär ab Klasse 7 Hauptschulbildungsgänge anzubieten. Damit soll der Bildungsgang nicht länger nur als Ausnahmemodell geführt werden, sondern als fester Bestandteil des Schulangebots dienen.
Trotz des erklärten Ziels der Landesregierung stößt die geplante Gesetzesänderung auf deutliche Kritik von Lehrer- und Elternverbänden. Ein zentraler Vorwurf: Die Reform gefährde die pädagogische Qualität. Lehrkräfte müssten künftig innerhalb einer Klasse unterschiedliche Lehrpläne umsetzen – eine Herausforderung, die in der Praxis schwer umzusetzen sei und zulasten der Unterrichtsqualität gehen könnte.
Auch die Landeselternschaft der Realschulen äußert Bedenken. Kritisiert wird insbesondere, dass das spezifische Profil der Realschule verwässert werde. Eltern befürchten, dass die Wahlfreiheit bei der Schulwahl eingeschränkt wird, wenn Realschulen künftig auch Hauptschulbildungsgänge führen.
Der Städte- und Gemeindebund NRW verweist auf einen weiteren kritischen Punkt: Schülerinnen und Schüler, die im Hauptschulbildungsgang unterrichtet werden, verlassen die Schule laut Statistik überdurchschnittlich häufig ohne Abschluss. Auch dieser Aspekt wirft Fragen zur Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit der Reform auf – insbesondere im Hinblick auf die Bildungsbiografien betroffener Jugendlicher.
Die Landesregierung betont hingegen, dass keine flächendeckende Schließung der Hauptschulen geplant sei. Vielmehr sollen Kommunen die Option erhalten, Realschulen mit Hauptschulbildungsgängen auszustatten – eine Verpflichtung bestehe nicht. Zur Unterstützung der Schulen sind zudem zusätzliche Lehrerstellen vorgesehen: bis zu 2,5 pro Jahrgang ab Klasse 7 sollen zur Verfügung stehen.
Die gesetzgeberischen Schritte sind bereits im Gange. Am 25. März 2025 fand eine Expertenanhörung im Schulausschuss des Landtags statt. Eine weitere Beratung ist für den 7. Mai 2025 angesetzt. Wenn der Landtag zustimmt, könnte das neue Gesetz pünktlich zum Schuljahr 2025/26 in Kraft treten.
Die geplante Schulrechtsänderung steht exemplarisch für die Herausforderungen moderner Bildungspolitik: Einerseits besteht der Bedarf, Bildungsangebote ortsnah und flexibel zu gestalten – besonders in ländlichen Regionen. Andererseits werfen die geplanten Maßnahmen fundamentale Fragen zur Qualität und Identität der Schulformen auf. Ob die angestrebte Reform den Spagat zwischen Vielfalt und Profiltreue meistern kann, bleibt abzuwarten.