
Der neue Konjunkturbericht der nordrhein-westfälischen Landesregierung gibt Einblick in eine Wirtschaft, die zwischen Stagnation und Erholung schwankt. Zwar vermeldet das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie erstmals wieder ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent, doch der große Befreiungsschlag bleibt aus. Münster, traditionell geprägt durch den Dienstleistungssektor und einen starken Mittelstand, profitiert nur teilweise von der leichten Belebung. Der erhoffte konjunkturelle Umschwung kommt langsamer und fragiler als erhofft.
Nach zwei Jahren mit rückläufigem Bruttoinlandsprodukt zeigt die Wirtschaft in NRW wieder ein zartes Plus. Doch das Plus von 0,1 Prozent ist kaum mehr als ein statistischer Hoffnungsschimmer. Im Bundesvergleich bleibt das Land damit weiter zurück, denn deutschlandweit wird mit einem Wachstum von 0,3 Prozent gerechnet. Als Hauptgründe für das schwache Abschneiden nennt der Bericht anhaltend hohe Energiekosten, eine verringerte Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sowie geopolitische Unsicherheiten.
Die Landesregierung sieht dennoch erste Zeichen einer Stabilisierung. Besonders im verarbeitenden Gewerbe gab es zu Jahresbeginn einen leichten Anstieg der Produktion. Doch der fällt in NRW deutlich schwächer aus als im übrigen Bundesgebiet. Die Industrie insgesamt bleibt unter Druck, viele Schlüsselbranchen kämpfen weiterhin mit den Folgen der Energiekrise und dem verschärften internationalen Wettbewerb.
Der Konjunkturbericht verweist auf eine anhaltende Schwäche in wichtigen Industriezweigen. Die Metallerzeugung und -verarbeitung ist seit Jahren rückläufig, das Textilgewerbe leidet unter asiatischer Konkurrenz, und die chemische Industrie wird durch die Energiepreise massiv belastet. Der Maschinenbau und die Elektroindustrie konnten sich etwas stabilisieren, doch die Investitionszurückhaltung bremst auch hier jede dynamische Entwicklung.
Zwar zogen die Auftragseingänge zuletzt wieder an, doch ein Teil dieses Anstiegs dürfte auf Vorzieheffekte im Zusammenhang mit der US-Zollpolitik zurückzuführen sein. Die Hoffnung auf eine nachhaltige industrielle Erholung wird dadurch gedämpft. Auch in Münster sind industrielle Impulse begrenzt spürbar – die lokale Wirtschaft bleibt eher im Dienstleistungssektor verankert.
Ein zentrales Element des Berichts ist das neue Sondervermögen, mit dem die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern die Infrastruktur stärken will. Allein Nordrhein-Westfalen soll davon über einen Zeitraum von zwölf Jahren rund 21 Milliarden Euro erhalten. Ein Teil dieser Mittel ist auch für Kommunen wie Münster vorgesehen, etwa für Schulbau, Verkehrsanbindung oder Digitalisierung.
Doch der Bericht warnt: Die Bauwirtschaft ist vielerorts bereits an ihrer Belastungsgrenze. Der Tiefbau in NRW ist hoch ausgelastet, Fachkräfte fehlen, und lange Planungsverfahren verzögern die Umsetzung. Obwohl viele Bauunternehmen volle Auftragsbücher haben, bleibt der Output zurück. Im ersten Quartal 2025 ist die Bauproduktion in NRW sogar gesunken – im Gegensatz zur Entwicklung auf Bundesebene. Auch in Münster könnte es schwierig werden, große Investitionen kurzfristig umzusetzen.
Einziger stabiler Sektor bleibt der Dienstleistungsbereich. Hier verzeichnet NRW ein leichtes Wachstum. Besonders unternehmensnahe Dienstleistungen zeigen sich widerstandsfähig, wenn auch ohne große Dynamik. In Münster, wo Gesundheitswesen, Bildung und Verwaltung eine tragende Rolle spielen, bleibt dieser Sektor ein wichtiger Stabilitätsanker.
Allerdings ist die Zahl der Beschäftigten in den Dienstleistungsbranchen zuletzt leicht zurückgegangen. Der zuvor beobachtete Aufwärtstrend hat sich umgekehrt. Auch die Umsätze stagnieren seit Mitte 2023 auf demselben Niveau. Von einer echten Dienstleistungskonjunktur kann daher nicht die Rede sein – aber immerhin von konjunktureller Verlässlichkeit.
Der nordrhein-westfälische Arbeitsmarkt gibt ein zwiespältiges Bild ab. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt weiter leicht an. Für das laufende Jahr wird in NRW ein Plus von rund 13.000 Beschäftigten erwartet. Gleichzeitig klettert die Arbeitslosenquote von 7,5 auf 7,8 Prozent. Das liegt daran, dass viele Unternehmen bei frei werdenden Stellen keine Nachbesetzungen vornehmen. Besonders in der Industrie gibt es keine Anzeichen für Neueinstellungen. Die Kurzarbeit ist vergleichsweise niedrig – ein Zeichen dafür, dass Unternehmen nicht mit einer raschen Erholung rechnen.
In Münster liegt die Arbeitslosigkeit weiterhin unter dem Landesdurchschnitt. Dennoch ist auch hier ein Trend zur Zurückhaltung bei Neueinstellungen erkennbar. Fachkräfte werden zwar gesucht, aber vor allem dort, wo es um langfristige Qualifikation und verlässliche Perspektiven geht – etwa im IT-Bereich, in der Pflege oder bei Ingenieurberufen.
Der Bericht blickt vorsichtig optimistisch ins kommende Jahr. Für 2026 wird ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent prognostiziert – auch für NRW. Die positiven Impulse sollen vor allem aus den öffentlichen Investitionen kommen, verbunden mit einer moderaten Erholung des privaten Konsums. Ob das gelingt, hängt allerdings stark davon ab, ob die geplanten Infrastrukturprojekte tatsächlich umgesetzt werden können. Vor allem die Kapazitäten im Bau und die politischen Rahmenbedingungen werden entscheidend sein.