
Münster. Über den Himmel der Stadt ziehen wieder Zugvögel in großer Zahl. Besonders in den Rieselfeldern im Norden Münsters herrscht in diesen Tagen reger Flugverkehr. Das Schutzgebiet gilt als einer der wichtigsten Rastplätze für durchziehende Wat- und Wasservögel in Nordrhein-Westfalen. Beobachter meldeten zuletzt hunderte Kraniche, die in Trupps kreisend nach Südwesten zogen. Auch zahlreiche Bläss- und Graugänse sowie Kiebitze und Bekassinen machen derzeit Station in den Feuchtwiesen rund um die Beobachtungstürme.
Die Rieselfelder sind Teil des europäischen Vogelschutzgebietsnetzwerks „Natura 2000“ und bieten den Tieren während des Zuges Nahrung und Schutz. Morgens und in den späten Nachmittagsstunden sind die besten Zeiten, um die spektakulären Formationen am Himmel zu sehen. Besonders bei klarem Himmel und Rückenwind sind die rufenden Kraniche schon aus weiter Entfernung zu hören. Und wer versucht, sie auf einem Foto festzuhalten, merkt schnell: Ohne Teleobjektiv geht kaum etwas, man braucht schon ein scharfes Auge (siehe Foto), um sie zu sehen.
Die meisten Kraniche, die derzeit über Münster zu sehen sind, folgen der sogenannten Westroute. Sie führt von den Brutgebieten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg über Niedersachsen und das Münsterland bis nach Frankreich. Dort rasten viele Vögel am Lac du Der-Chantecoq in der Champagne, bevor sie weiter nach Spanien fliegen, wo sie in der Extremadura überwintern.
Ein Teil der Tiere bleibt jedoch zunehmend in Deutschland, vor allem in Niedersachsen und Brandenburg. Mildere Winter und gute Nahrungsbedingungen lassen sie hierzulande überwintern – ein Wandel, der in den letzten Jahren immer deutlicher wird.
Neben den Kranichen sind auch andere Arten unterwegs: Arktische Blässgänse ziehen von der russischen Tundra zu ihren Winterquartieren am Niederrhein, Weißwangengänse und Enten folgen ihren traditionellen Routen Richtung Küste und Westeuropa. Frühere Sommerboten wie Mauersegler und Schwalben sind dagegen längst fort; sie haben ihre Reise nach Afrika bereits im August und September angetreten.
Die Rieselfelder Münster sind der bekannteste Ort für Vogelzugbeobachtungen in der Region. Mehrere Aussichtsplattformen ermöglichen dort gute Sicht auf durchziehende Schwärme. Wer die Zugbewegungen tagesaktuell verfolgen möchte, kann das über Plattformen wie ornitho.de oder Observation.org. Dort melden ehrenamtliche Beobachter regelmäßig Sichtungen aus dem Münsterland.
Auch der NABU und der Verein „Kranichschutz Deutschland“ informieren fortlaufend über die aktuelle Zugroute und geben Tipps für Beobachtungen. Ein weiterer bedeutender Rastplatz für Kraniche liegt rund 100 Kilometer nördlich: die Diepholzer Moorniederung. Dort sammeln sich jedes Jahr zehntausende Tiere, bevor sie ihre Reise in den Süden fortsetzen.