
Münster. Die Vorstellung wirkt auf viele Menschen zunächst befremdlich: Auf dem Friedhof, einem Ort der Ruhe und des Abschieds, soll künftig Umsatzsteuer erhoben werden. Genau das bereitet die Stadt Münster derzeit vor. Ab dem 1. Januar 2027 sollen für bestimmte Bestattungsformen 19 Prozent Umsatzsteuer fällig werden. Hintergrund ist keine kommunale Sparidee, sondern eine bundesrechtliche Vorgabe, die Städte und Gemeinden schon seit Jahren beschäftigt.
Konkret geht es in Münster um zwei Bestattungsformen: das anonyme Urnengrab und die Nutzung eines Aschestreufeldes. Für diese Leistungen plant die Stadt, ab 2027 den regulären Umsatzsteuersatz von 19 Prozent zu erheben. Einbezogen werden sollen dabei nicht nur die eigentliche Nutzung, sondern auch damit verbundene Nebenleistungen wie die Beisetzung.
Nicht betroffen sind klassische Reihen- und Wahlgräber sowie herkömmliche Urnengräber mit klar zugewiesenem Grabplatz. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die steuerliche Bewertung.
Auslöser der geplanten Änderung ist der sogenannte § 2b des Umsatzsteuergesetzes. Diese Regelung verpflichtet juristische Personen des öffentlichen Rechts, also auch Städte, bestimmte Leistungen wie ein Unternehmen zu versteuern, wenn sie grundsätzlich auch von privaten Anbietern erbracht werden könnten.
Im Friedhofsbereich greift diese Logik dort, wo keine eindeutig abgegrenzte Grabstätte vergeben wird. Während klassische Grabstellen rechtlich als zeitlich befristete Nutzungsrechte an einem konkreten Grundstücksteil gelten und damit häufig von der Umsatzsteuer befreit sind, fehlt diese klare Zuordnung bei anonymen Bestattungen oder Streufeldern. Nach aktueller steuerlicher Auslegung handelt es sich hier nicht um die Vermietung eines klar abgegrenzten Grundstücks, sondern um eine sonstige Leistung, die umsatzsteuerpflichtig ist.
Ursprünglich sollte § 2b UStG schon früher verpflichtend angewendet werden. Bund und Länder haben den Kommunen jedoch mehrere Übergangsfristen eingeräumt, um ihre Satzungen, Gebührenmodelle und Verwaltungsabläufe anzupassen. Diese Übergangsphase endet nach derzeitiger Rechtslage zum 31. Dezember 2026. Ab dem 1. Januar 2027 müssen Städte wie Münster die neuen Vorgaben verbindlich umsetzen, sofern sie die Fristverlängerungen genutzt haben.
Dass das Thema jetzt wieder in den Fokus rückt, hängt also vor allem mit dem näher rückenden Stichtag zusammen.
Nach den derzeit geltenden Gebührensätzen würde die Umsatzsteuer einen spürbaren Aufschlag bedeuten. Ein anonymes Urnengrab oder die Nutzung eines Aschestreufeldes würde sich rechnerisch um gut 100 Euro verteuern, sofern die Steuer zusätzlich erhoben wird. Noch offen ist allerdings, ob die Stadt die Gebühren künftig als Bruttopreise inklusive Umsatzsteuer festsetzt oder die Steuer transparent auf die bisherigen Beträge aufschlägt.
Die Verwaltung weist darauf hin, dass die rechtliche Lage im Detail noch nicht abschließend geklärt ist. Auch andere Kommunen stehen vor ähnlichen Entscheidungen und beobachten die Entwicklung aufmerksam.
Münster ist mit diesem Thema kein Einzelfall. Bundesweit bereiten sich Städte und Gemeinden auf die verpflichtende Anwendung des § 2b Umsatzsteuergesetzes vor. Der Friedhofsbereich gilt dabei als besonders sensibel, weil hier juristische Feinheiten auf emotionale Lebenssituationen treffen. Entsprechend vorsichtig gehen viele Kommunen vor und kündigen Änderungen frühzeitig an.
Fest steht: Sollte die Regelung wie geplant umgesetzt werden, wird der Friedhof in Münster ab 2027 auch steuerlich ein anderer Ort sein als bisher – zumindest für bestimmte, anonyme Formen der Bestattung.