Unternehmensnachfolge in Münster: Zwei Übergaben vor großem Hintergrund

In Münster stehen viele Unternehmen vor der Übergabe. Zwei aktuelle Beispiele zeigen, warum Nachfolge zum Standortthema wird.
Foto: Homann Immobilien Münster GmbH

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Münster. Unternehmensnachfolge ist in Münster längst kein Randthema mehr. Immer mehr Betriebe stehen vor der Frage, wie Verantwortung weitergegeben werden kann, während gleichzeitig geeignete Nachfolger fehlen. Zwei aktuelle Beispiele aus der Stadt zeigen, wie unterschiedlich dieser Prozess aussehen kann – und warum er weit über einen einfachen Chefwechsel hinausgeht. Bei HOMANN IMMOBILIEN wird der Übergang als langfristiger Entwicklungsprozess gestaltet. Beim Agravis Baustoffhandel in Amelsbüren ist die Übergabe klassisch vorbereitet und klar terminiert. Beide Fälle stehen exemplarisch für eine Entwicklung, die viele Unternehmen in Münster und der Region betrifft.

Homann Immobilien: Nachfolge als bewusster Transformationsprozess

Bei Homann Immobilien wird Nachfolge nicht als punktuelles Ereignis verstanden, sondern als längerer Weg. Das Unternehmen beschreibt den Führungswechsel ausdrücklich als Prozess, in dem Verantwortung, Strukturen und Kultur schrittweise weiterentwickelt werden. Ab Januar 2026 übernimmt Eve Homann die Verantwortung an der Spitze des Unternehmens. Die formale Übernahme ist dabei das Ergebnis einer bereits zuvor gestarteten internen Transformation.

In den vergangenen Monaten hat Homann Immobilien nach eigenen Angaben ein breit angelegtes Veränderungsprogramm durchlaufen. Begleitet wurde dieser Weg durch die Strategieberaterin Sabine Gausepohl. In Workshops wurden operative Abläufe überprüft, strategische Schwerpunkte definiert und Prioritäten für die kommenden Jahre festgelegt. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf Persönlichkeitsentwicklung und Führungscoaching. Ziel war es, Führung nicht nur organisatorisch neu zu ordnen, sondern die Menschen im Unternehmen gezielt auf ihre Rollen vorzubereiten.

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Aus diesem Prozess ging ein neues Leitbild hervor, das Orientierung geben und die Grundlage für eine gemeinsame Unternehmenskultur bilden soll. Parallel dazu wurden organisatorische Strukturen angepasst und Zuständigkeiten klarer geregelt. Bewährte Elemente sollen erhalten bleiben, gleichzeitig will sich das Unternehmen weiter öffnen für neue Entwicklungen.

Der Wandel zeigt sich auch nach außen. Nach Angaben des Pressesprechers Guyves Sarkhosh wird ab Januar 2026 der Zusatz „Münster“ in der Firmierung entfallen. Die Marke soll künftig stärker eigenständig auftreten. Gründer Bernard Homann bleibt dem Unternehmen weiterhin verbunden, allerdings nicht mehr in operativer Funktion. Er begleitet den Übergang als Mentor und Impulsgeber und bringt seine Erfahrung in strategischen Fragen ein.

Agravis Baustoffhandel Amelsbüren: Übergabe mit klarer Linie

Deutlich anders ist die Nachfolge beim Agravis Baustoffhandel in Amelsbüren angelegt. Dort ist der Wechsel eng mit dem Rückzug des bisherigen Geschäftsführers Herbert Schmid verbunden, der den Standort über viele Jahre geprägt hat. Ab Januar 2026 soll sein Nachfolger Mario Fels die alleinige Verantwortung übernehmen. Die Übergabe folgt damit einem klassischen Muster: längere Einarbeitung, klare Zuständigkeiten, anschließende vollständige Übergabe.

Der Standort selbst steht für einen tiefgreifenden Wandel, der weit vor der aktuellen Nachfolge begonnen hat. Aus dem früheren Landhandel Elbers entwickelte sich ein moderner Baustoffhandel. Name und Standort änderten sich, der Betrieb zog vom Bahnhof an den Kanal, und die Unternehmensstruktur wurde neu organisiert. Heute arbeiten rund 100 Beschäftigte für den Baustoffhandel, ein Großteil davon in Amelsbüren, wo auch zentrale Funktionen wie Buchhaltung und Logistik angesiedelt sind. Weitere Standorte befinden sich unter anderem in Lüdinghausen, Dülmen und Wettringen.

Der Führungswechsel findet zudem in einer schwierigen Phase für die Baubranche statt. Rückläufige Baugenehmigungen, steigende Kosten und wachsende Bürokratie prägen das Umfeld. Vor diesem Hintergrund ist die Übergabe nicht nur ein personeller Wechsel, sondern Teil der strategischen Frage, wie sich ein Baustoffhandel langfristig stabil aufstellt und neue Geschäftsfelder erschließt.

Viele Übergaben, wenige Nachfolger

Die beiden Beispiele stehen nicht für Einzelfälle. In Münster, im Münsterland und in ganz Nordrhein-Westfalen zeichnet sich seit Jahren ab, dass zahlreiche Unternehmensübergaben nahezu zeitgleich anstehen. Viele Inhaber erreichen das Ruhestandsalter, während die Zahl derjenigen, die ein bestehendes Unternehmen übernehmen wollen, deutlich geringer ist. Industrie- und Handelskammern sprechen seit Längerem von einer wachsenden Lücke zwischen Abgebern und potenziellen Nachfolgern.

Für viele Betriebe wird die Nachfolge damit zu einer der größten strategischen Herausforderungen. Wer zu spät mit der Planung beginnt, riskiert, keine Lösung mehr zu finden. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen geraten dadurch unter Druck. In manchen Fällen endet eine eigentlich wirtschaftlich tragfähige Unternehmensgeschichte nicht mit einer Übergabe, sondern mit einer Schließung, weil sich kein geeigneter Nachfolger findet.

Diese Entwicklung macht die Nachfolgefrage zu einem Standortthema. Jede nicht gelöste Übergabe betrifft nicht nur ein Unternehmen, sondern auch Arbeitsplätze, regionale Wertschöpfung und gewachsene Netzwerke. Städte wie Münster spüren die Folgen unmittelbar, wenn Betriebe vom Markt verschwinden oder Investitionen ausbleiben.

Unterschiedliche Antworten auf ein gemeinsames Problem

Vor diesem Hintergrund gewinnen die beiden Münsteraner Übergaben zusätzliche Bedeutung. Homann Immobilien setzt auf einen langfristig vorbereiteten Prozess, der weit vor der eigentlichen Verantwortungsübernahme ansetzt. Führung, Kultur und Organisation werden gemeinsam weiterentwickelt, um Kontinuität zu sichern. Der Übergang ist damit zeit- und ressourcenintensiv, soll aber Stabilität schaffen.

Beim Agravis Baustoffhandel steht dagegen die klare Linie im Vordergrund. Der Wechsel ist vorbereitet, Zuständigkeiten sind eindeutig geregelt, der Übergabezeitraum klar definiert. Auch dieses Modell setzt frühe Planung voraus, folgt aber einer klassischeren Logik.

Beide Wege zeigen, dass es für Nachfolge kein einheitliches Modell gibt. Entscheidend ist weniger die Form als die Vorbereitung. Ob Familienunternehmen oder größerer Unternehmensverbund – wer Verantwortung übergibt, muss früh klären, wie Wissen, Entscheidungsfähigkeit und Führung gesichert werden.

Mehr als ein Chefwechsel

Die aktuellen Beispiele aus Münster machen deutlich, dass Unternehmensnachfolge heute weit mehr ist als ein formaler Akt. Sie berührt Fragen der Unternehmenskultur, der regionalen Verankerung und der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit. In einer Phase, in der viele Übergaben gleichzeitig anstehen und Nachfolger knapp sind, wird genau diese Frage zur zentralen Herausforderung.

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