Nosferatu (2024) ist eine Neuinterpretation des weltberühmten deutschen Stummfilms aus den 1920er Jahren, die aktuell Zuschauer wie Kritiker begeistert. Auch in Münster ist der Film nun seit dem 02.01. zu sehen. In dieser spoilerfreien Rezension erhaltet ihr sowohl Hintergrundinformationen zur Nosferatu Neuverfilmung als auch eine Empfehlung dazu, für welche Zuschauer der Film einen Kinobesuch wert sein dürfte.
Die Handlung und die Ästhetik des Films orientiert sich an dem 1922 erschienenen Stummfilm von Friedrich Wilhelm Murnau, der als einer der Begründer des Genres der Horrorfilme gelten kann. Interessant ist wiederum auch der Hintergrund dieses Stummfilms: Der Regisseur wollte eigentlich Bram Stokers berühmten Roman Dracula verfilmen, aber dies war aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich. Das Filmstudio Prana-Film gab deshalb ein neues Drehbuch in Auftrag, dass sich an Dracula orientieren, aber die Handlung so stark abändern sollte, dass keine rechtlichen Probleme entstünden. Diese Änderungen sind aus heutiger Sicht aber marginal.
Die Nosferatu Neuverfilmung 2024 nimmt nun die Handlung des Stummfilms auf, allerdings wandelte Regisseur Robert Eggers diese beim Schreiben des Drehbuchs noch etwas weiter ab. Diese Veränderungen sind durchwegs stimmig und fügen sich in die Gesamthandlung ein, werfen jedoch auch Fragen auf, die der Film nicht immer befriedigend beantwortet. Der Vorwurf, hier hätte man sich für Style over Substance entschieden, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Sowohl Dracula als auch die Nosferatu-Filme befassen sich inhaltlich mit der Natur des Bösen, das als korrumpierende Kraft mitten unter den Menschen weilt und ihnen die Lebenskraft entzieht. Der Vampir verführt, mordet, bringt Krankheit und Verderben aufgrund seiner unersättlichen Gier nach dem, was ihm als Untotem fehlt: die Lebenskraft – versinnbildlicht durch das Blut als Lebenssaft. Als von Gott abgewandtes Wesen kann er nur zerstören, nicht erschaffen, weshalb ihm Liebe und Freundschaft verwehrt bleiben müssen. Diese Darstellung des Vampirs unterscheidet sich stark von den eher als cool oder witzig porträtierten Vampiren in 5 Zimmer Küche Sarg, Renfield, Only Lovers Left Alive, der Blade-Trilogy oder gar den Twilight-Filmen. Im Unterschied zu vielen weiteren Vampirfilmen spielt das Christentum als Gegenposition zum Vampirismus in Nosferatu keine besondere Rolle, obwohl der Vampir natürlich in der christlichen Weltordnung als Antagonist verortet wird.
Nosferatu besticht durch ein Gefühl kontinuierlicher Bedrohung und Unbehagen, das sich beim Zuschauer durch die spürbare Präsenz des Vampirs einstellt. Selbst, wenn er nicht im Bild ist, spricht dieser in düster klingendem Rumänisch zu einzelnen Charakteren oder zum Publikum. Obwohl es einige Jump Scares (4-5, ohne genau mitgezählt zu haben) gibt, ist der Horror der Nosferatu Neuverfilmung eher in der abscheulichen Darstellung und Wirkung des Vampirs zu finden. Der Film ist damit zwar gruselig, aber dürfte auch für Zuschauer zu verkraften sein, die nicht so häufig Horrorfilme schauen.
Hier kann man sich nur den bisher überwältigend positiven Kritiken anschließen und sagen: Ja!
Generell sind Remakes von bekannten Filmen (man denke an Mufasa/Der König der Löwen) oder einfallslose Sequels zu erfolgreichen Filmen (beispielsweise Joker 2) ausschlaggebend für ein relativ schwaches Kinojahr 2024. Nosferatu hätte ein weiterer Fehlschlag in diese Richtung sein können, aber Robert Eggers Erfahrung bei der Regie von Horrorfilmen sowie auch die großartige Kameraführung von Jarin Blaschke machen Nosferatu zu einem visuell eindrucksvollen Film, weshalb es nicht negativ ausfällt, dass die Handlung des Films über weite Strecke eine Neuinszenierung eines bekannten Stoffes ist. Die Schauspieler leisten dazu alle einen wichtigen Beitrag, aber besonders hervorzuheben ist ohne Zweifel Bill Skarsgård, der als Nosferatu kaum wiederzuerkennen ist. Eine Nominierung für einen Oscar als bester Nebendarsteller ist neben einer Nominierung für die beste Regie für Robert Eggers sicher zu erwarten.
Lily-Rose Depp wird von Kritikern zurecht eher kontrovers gesehen: Ihre Performance ist keinesfalls schlecht, aber doch ein wenig zu einseitig für eine tragende Hauptrolle. Willem Defoe versucht mit seiner Rolle ein wenig komödienhafte Leichtigkeit in den Film zu bringen, was grundsätzlich gelingt, aber hin und wieder auch der düsteren, schweren Stimmung, die der Film vermitteln möchte, zu stark zuwider läuft. Insgesamt ist die Nosferatu Neuverfilmung jedoch mit Sicherheit einer der Lichtblicke des Kinojahres 2024/2025, weshalb er auf jeden Fall allen Horrorfans empfohlen werden kann. Bei Zweifeln einfach einen kurzen Blick in den Trailer werfen: Wenn euch der Look des Filmes auf Anhieb zusagt, dann seht ihn euch an – ihr werdet nicht enttäuscht sein.