
Düsseldorf/Münster. Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Bahn haben am 15. Juli 2025 eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, die den Weg für eine umfassende Modernisierung des Bahnverkehrs ebnen soll. Ministerpräsident Hendrik Wüst, Verkehrsminister Oliver Krischer sowie DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Richard Lutz und Infrastrukturvorstand Berthold Huber trafen sich in Düsseldorf, um das gemeinsame Ziel zu bekräftigen: ein leistungsfähigeres Schienennetz, das sowohl den Personen- als auch den Güterverkehr in NRW spürbar verbessert. Fast 5.000 Kilometer Schienen verlaufen durch das Land, mehr als 215 Millionen Menschen nutzen jährlich den Nahverkehr – der Bedarf an funktionierender Infrastruktur ist entsprechend hoch.
Die Vereinbarung sieht vor, Planung und Umsetzung zentraler Infrastrukturmaßnahmen besser zu koordinieren, Planungsverfahren zu beschleunigen und bestehende Programme wie den „Deutschlandtakt“ enger mit landespolitischen Zielsetzungen zu verzahnen. Gleichzeitig betonen beide Seiten, dass die Generalsanierung des Netzes nicht auf Kosten von Aus- und Neubauprojekten gehen dürfe – insbesondere nicht auf Nebenstrecken und im ländlichen Raum.
Der Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), zuständig für den Schienenpersonennahverkehr in einem Großteil des Landes, sieht in der Kooperationsvereinbarung eine wichtige Grundlage – allerdings auch eine Verpflichtung. Geschäftsführerin Christiane Auffermann spricht von einem „Startsignal, auf das wir lange gewartet haben“. Der NWL erwarte nun, dass auch die Belange der Fläche und nicht nur der Ballungsräume konsequent berücksichtigt werden. Besonders bei Projekten im Münsterland und in Ostwestfalen-Lippe müssten lang bekannte Engpässe endlich angegangen werden.
Man begrüße das Bekenntnis zur Strecke Münster–Lünen, zur S-Bahn Münsterland und zur S-Bahn Ostwestfalen. Doch ohne verbindliche Zeitpläne, klare Zuständigkeiten und eine verlässliche Finanzierung bleibe die Vereinbarung nur eine Absichtserklärung. Der NWL fordert daher, dass konkrete Maßnahmen nicht nur angekündigt, sondern zeitnah eingeleitet werden.
In seiner Stellungnahme listet der NWL mehrere konkrete Anforderungen auf. Ein zentrales Thema ist die Dekarbonisierung des Schienenverkehrs. Der Verband plant, dieselbetriebene Fahrzeuge schrittweise durch batterieelektrische Züge (BEMU) zu ersetzen. Bereits ab Ende 2029 sollen diese auf mehreren Linien in Betrieb gehen – doch ohne passende Ladeinfrastruktur, etwa in Münster, droht das Projekt zu scheitern. Die Planung und Errichtung entsprechender Bahnstromversorgungen müsse daher umgehend starten.
Auch das Thema Engpassbeseitigung bleibt drängend: Zehn Prozent aller Zugkilometer in NRW werden auf überlasteten Strecken gefahren. Der NWL verweist auf zahlreiche bereits identifizierte Maßnahmen, die vergleichsweise kurzfristig realisierbar wären – viele davon im Raum Gütersloh, Hamm und entlang wichtiger Regionalachsen. Diese kleineren, aber wirksamen Maßnahmen müssten schnell und verbindlich in die Umsetzung überführt werden.
Ein weiteres Problem sieht der NWL in der Komplexität vieler Planungsprozesse. Programme wie das „Robuste Netz“ enthalten zwar sinnvolle Maßnahmen, doch die Umsetzung verzögert sich häufig durch aufwendige Genehmigungsverfahren und technische Standards, die oft über das notwendige Maß hinausgehen. Als Beispiel wird Gütersloh genannt: Dort könnten punktuelle Eingriffe genügen – stattdessen wird aktuell eine Komplettsanierung der Oberleitungen erwogen, was Zeit und Ressourcen bindet.
Auch die Verkehrssicherheit bleibt ein Thema. Der NWL erinnert daran, dass es noch immer zahlreiche nicht technisch gesicherte Bahnübergänge gibt. Besonders die Strecke der RB 67 zwischen Münster und Rheda-Wiedenbrück fällt hier auf. Sie gilt als eine der unfallträchtigsten Verbindungen bundesweit. Der NWL fordert daher von der DB, Maßnahmen zur Sicherung solcher Übergänge prioritär voranzutreiben. Kommunen, Landkreise und Verkehrsverbünde stünden hierfür bereit, wenn die DB endlich handele.
Kai Schulte, Leiter des Kompetenzcenters Integraler Taktfahrplan NRW, unterstreicht die Notwendigkeit, den ländlichen Raum stärker in die Planungen einzubeziehen. Westfalen-Lippe dürfe nicht länger lediglich als Randgebiet betrachtet werden. Die Region verfüge über wachsendes Fahrgastaufkommen, wichtige Pendlerströme und zentrale Knotenpunkte. Wenn die Deutsche Bahn und das Land NRW die Kooperation zum Schienenverkehr Westfalen-Lippe ernst nähmen, müsse dies auch in spürbaren Verbesserungen vor Ort sichtbar werden.
Dass Projekte wie der Ausbau Münster–Lünen oder die S-Bahn Münsterland genannt werden, sei ein gutes Zeichen. Doch am Ende zähle, was tatsächlich umgesetzt werde. Der NWL kündigte an, die Fortschritte künftig eng zu begleiten – und bei ausbleibender Bewegung auch klar zu benennen, wo Versprechen nicht eingelöst werden.