
Münster. Die Staatsanwaltschaft Münster hat gegen einen 27-jährigen ehemaligen Krankenpfleger des Clemenshospitals Anklage erhoben. Der Mann, der bis zu seiner Entlassung im Clemenshospital tätig war, soll einem 91-jährigen Krebspatienten eigenmächtig eine massive Überdosis Morphin verabreicht haben. Die Anklage wiegt schwer: versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Urkundenfälschung und ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Der Fall wirft grundlegende Fragen über Verantwortung, Kontrolle und Ethik in der Palliativmedizin auf. Das Landgericht Münster muss nun entscheiden, ob es zur Hauptverhandlung kommt.
Der betroffene Patient war seit Anfang Juni 2023 im Clemenshospital zur palliativen Versorgung aufgenommen worden. Der 91-Jährige litt an einer weit fortgeschrittenen Krebserkrankung und befand sich laut ärztlicher Einschätzung in seinen letzten Lebenstagen. In enger Absprache mit den Angehörigen wurde eine Behandlung zur Schmerzlinderung eingeleitet. Die medizinisch verordneten Morphindosen waren exakt dokumentiert und unterlagen einer strengen Kontrolle. Dennoch soll der damalige Krankenpfleger am 1. Juli 2023 gegen ärztliche Vorgaben gehandelt haben – mit tödlichen Folgen.
Laut Anklageschrift soll der Krankenpfleger dem Patienten am frühen Abend des 1. Juli zunächst 50 Milligramm Morphin injiziert haben. Nur 30 Minuten später habe er weitere 10 Milligramm intravenös verabreicht. Beide Gaben waren nicht ärztlich angeordnet und überschritten die zulässige Tagesdosis deutlich. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte mit dem Ziel handelte, den Tod des Patienten zu beschleunigen – um ihn von seinen Leiden zu „erlösen“. Der Mann beendete seine Spätschicht, ohne Vorgesetzte über die Injektionen zu informieren. Der Patient verstarb noch in derselben Nacht. Rechtsmedizinische Untersuchungen konnten jedoch nicht eindeutig klären, ob der Tod auf die Morphingabe oder die Krankheit zurückzuführen war. Daher lautet der Vorwurf auf versuchten, nicht vollendeten Totschlag.
Neben der unerlaubten Medikamentengabe wirft die Staatsanwaltschaft dem Krankenpfleger auch Urkundenfälschung vor. Um die Entnahme des Morphins aus dem Stationsschrank zu verschleiern, soll er handschriftlich im Betäubungsmittelbuch manipuliert haben. Konkret habe er den Vermerk über die Entnahme einer Flasche mit 50 Milligramm Morphin einem anderen Patienten zugeordnet – durch das nachträgliche Einfügen einer „2“ in einer bestehenden Eintragung. Diese bewusste Verschleierung untermauere, so die Ankläger, die Absicht des Täters, sein Handeln zu vertuschen.
Der Beschuldigte, der inzwischen nicht mehr im Pflegeberuf tätig ist und nicht vorbestraft war, wurde am 20. Februar 2025 auf Antrag der Staatsanwaltschaft festgenommen. Der Haftbefehl wurde jedoch noch am selben Tag außer Vollzug gesetzt. In seiner Vernehmung räumte der Mann die Morphingaben weitgehend ein. Er beteuerte jedoch, keine Tötungsabsicht gehabt zu haben. Vielmehr habe er das Medikament verabreicht, um die starken Schmerzen des Patienten zu lindern. Hinweise auf ähnliche Handlungen bei weiteren Patienten ergaben sich im Laufe der Ermittlungen nicht.
Nun liegt es beim Landgericht Münster, zu entscheiden, ob die Anklage zugelassen und ein Hauptverfahren eröffnet wird. Für den Angeklagten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Der Fall bleibt ein rechtlich wie ethisch heikles Thema. Die Öffentlichkeit wird mit Spannung verfolgen, wie das Gericht mit dem Vorwurf umgeht, eine Grenze zwischen Schmerztherapie und strafrechtlich relevantem Handeln sei überschritten worden.