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Neues Forschungsprojekt untersucht Entmenschlichungstendenzen in NS-Zeit und Gegenwart

Das Forschungsprojekt „Grafeneck – Münster // 1940 – heute“ beleuchtet NS-„Euthanasie“-Verbrechen und thematisiert aktuelle Entmenschlichungstendenzen in Workshops und Ausstellungen.
Foto: Joe

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Das Forschungsprojekt „Grafeneck – Münster // 1940 – heute“ beschäftigt sich mit der Aufarbeitung der sogenannten „Euthanasie“-Morde in der NS-Zeit. Ziel des Forschungsprojekt ist es, durch verschiedene Veranstaltungen wie Workshops, Ausstellungen und Tagungen, eine lebendige Erinnerungskultur zu schaffen und aktuelle gesellschaftliche Entmenschlichungstendenzen zu thematisieren. Die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) arbeitet dabei eng mit der Gedenkstätte Grafeneck zusammen und setzt auf einen inklusiven und partizipatorischen Ansatz.

Ein inklusives Forschungsprojekt zu den NS-„Euthanasie“-Verbrechen und den Entmenschlichungstendenzen

Das kulturpädagogische Projekt „Grafeneck – Münster // 1940 – heute“ nimmt die „Euthanasie“-Verbrechen der Nationalsozialisten in Grafeneck (Baden-Württemberg) in den Fokus. Dort wurden im Jahr 1940 im Rahmen der „Aktion T4“ 10.654 Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder psychischen Erkrankungen ermordet. Das NS-Regime betrachtete diese Menschen als „lebensunwert“ und ließ sie systematisch in Gaskammern töten. Bischof Clemens August Graf von Galen aus Münster spielte eine bedeutende Rolle, indem er 1941 in Predigten gegen diese Verbrechen Stellung bezog, was zur Beendigung der zentral organisierten Morde führte. Dennoch wurden ähnliche Verbrechen in Heimen und Krankenhäusern weiterhin verübt.

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Ziel des Forschungsprojektes ist es, dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte zu beleuchten und dabei nicht nur die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern auch den Blick auf heutige Formen der Entmenschlichungstendenzen zu lenken. Die Verknüpfung zwischen der NS-Ideologie und aktuellen gesellschaftlichen Tendenzen wie Mobbing oder Ausgrenzung zeigt, dass Entmenschlichung weiterhin ein relevantes Thema ist. So sollen nicht nur historische Fakten vermittelt, sondern auch Mechanismen der Entwertung anderer Menschen hinterfragt werden.

Historische Aufarbeitung als lebendige Erinnerungskultur

Ein wichtiger Bestandteil des Projekts sind Workshops, in denen Studierende der Sozialen Arbeit und Heilpädagogik/Inklusiven Pädagogik aktiv mit Jugendlichen zusammenarbeiten. Diese Workshops finden in den Regionen Schwäbische Alb, Reutlingen, Münster und dem Münsterland statt. Die Studierenden leiten dabei die Geschichtsarbeit an und setzen sich gemeinsam mit den Teilnehmenden intensiv mit den Lebensgeschichten der Opfer und Täter auseinander. Ein besonderer Fokus liegt auf der persönlichen Familiengeschichte der Jugendlichen, um eine Verbindung zur Vergangenheit herzustellen.

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Neben den historischen Aspekten wird in den Workshops auch die nationalsozialistische Ideologie der Eugenik und Rassenhygiene thematisiert. Ziel des Forschungsprojekt ist es, diese Konzepte in Relation zu heutigen Entwicklungen zu setzen und den Jugendlichen die Auswirkungen von Entmenschlichungstendenzen auf die Gesellschaft näherzubringen. Das Projekt fördert somit nicht nur die Vermittlung von Geschichtswissen, sondern auch die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins für gegenwärtige Formen von Ausgrenzung.

Zusammenarbeit mit Künstlern und inklusives Lernen

Die Workshops und Veranstaltungen des Projekts werden von zeitgenössischen Künstlern begleitet, um kreative Ansätze in die historische Aufarbeitung einzubinden. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit nicht nur über Texte und Vorträge, sondern auch durch künstlerische Ausdrucksformen zu gestalten. Besonders der inklusive Ansatz, der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen aktiv einbindet, sorgt für eine partizipatorische und diverse Perspektive auf das Thema.

Darüber hinaus werden an verschiedenen Orten, wie der Gedenkstätte Grafeneck sowie in Berlin und Nordrhein-Westfalen, Ausstellungen und Videogroßprojektionen stattfinden. Diese sollen das Thema für ein breites Publikum zugänglich machen und weitere Denkanstöße geben. Eine begleitende Broschüre sowie eine Tagung zum kulturpädagogischen Ansatz runden das Gesamtprojekt ab.

Erinnern durch Forschungsprojekt zu Entmenschlichungstendenzen

Das Forschungsprojekt soll einen Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungskultur leisten und die Teilnehmer dafür sensibilisieren, welche Gefahren Entmenschlichungstendenzen haben können. Professor Dr. Jochen Bonz von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen betont, dass das Projekt weniger belehren, sondern vielmehr Interesse wecken möchte. Dies sei besonders relevant, da die Mechanismen der Entwertung in unserer heutigen Gesellschaft, etwa in Form von Mobbing oder Rassismus, weiterhin präsent sind.

Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) sowie dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Rahmen der Bildungsagenda NS-Unrecht finanziell unterstützt und läuft vom 1. April 2024 bis zum 31. Dezember 2025. Es verfolgt das Ziel, nicht nur die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern auch gegenwärtigen Entmenschlichungstendenzen entgegenzuwirken.