
Münster. 4.347 Euro brutto im Monat – das klingt nach einem soliden Gehalt, mit dem sich langfristig auch die eigene Altersvorsorge sichern lassen sollte. Doch bei der Lichtblick Seniorenhilfe e.V. in Münster zeichnet sich ein anderes Bild. Die gemeinnützige Organisation, die bundesweit über 31.000 bedürftige Rentnerinnen und Rentner unterstützt, warnt eindringlich: Selbst Menschen mit durchschnittlichem Einkommen droht im Alter finanzielle Not. Denn nach 40 Jahren Arbeit bleiben im Ruhestand oft nur rund 1.490 Euro netto übrig. In einer Stadt wie Münster, wo die Lebenshaltungskosten stetig steigen, reicht das in vielen Fällen nicht für Miete, Heizung, Strom und Lebensmittel.
Besonders alarmierend ist: Diese Zahl betrifft nicht etwa nur Geringverdiener, sondern laut Statistischem Bundesamt genau die Hälfte aller Erwerbstätigen in Deutschland – jene mit einem mittleren Bruttojahreseinkommen von rund 52.159 Euro. Dass dies trotzdem nicht ausreicht, um sich vor Altersarmut zu schützen, zeigt eine neue Berechnung des Rentenberaters Andreas Irion im Auftrag der Lichtblick Seniorenhilfe. Die Organisation mit Standort in Münster bekommt diese Entwicklung täglich zu spüren – denn immer mehr Anfragen erreichen die Ehrenamtlichen, auch von Menschen, die sich früher niemals hätten vorstellen können, im Alter auf Unterstützung angewiesen zu sein.
Die jüngste Rentenerhöhung zum 1. Juli 2025 um 3,74 Prozent hat viele Schlagzeilen gemacht. Doch was auf dem Papier nach einem echten Fortschritt aussieht, entpuppt sich für viele Betroffene als Nullnummer. „Die Erhöhung wird durch gestiegene Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung direkt wieder aufgefressen“, erklärt Lydia Staltner, Gründerin von Lichtblick Seniorenhilfe. Auch in Münster berichten viele Rentnerinnen und Rentner, dass ihnen unterm Strich kaum etwas von der Erhöhung bleibt – oder sie gar nichts davon haben, weil sie in der Grundsicherung landen und die Erhöhung dort vollständig angerechnet wird.
Ähnlich ernüchternd fällt die Bilanz bei der geplanten Mütterrente III aus. Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass zusätzliche Erziehungsjahre besser anerkannt werden sollen. Doch wer heute bereits Grundsicherung bezieht – und das betrifft laut Statistischem Bundesamt rund 742.000 Menschen – wird von dieser Reform nichts spüren. Auch in Münster betrifft das viele Frauen, die trotz jahrzehntelanger Arbeit und Familienleistung im Alter kaum über die Runden kommen. Für sie bedeutet die Mütterrente keine finanzielle Verbesserung – sie wird mit Sozialleistungen verrechnet.
„Viele dieser Maßnahmen sind gut gemeint, aber sie erreichen die falschen Zielgruppen“, sagt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin von Lichtblick Münster. Statt flächendeckender Reformen nach dem Gießkannenprinzip brauche es gezielte Hilfen für jene, die heute und morgen wirklich betroffen sind – insbesondere in teuren Städten wie Münster.
Ein zentraler Punkt der Kritik von Lichtblick Münster betrifft die Annahme, dass mittlere Einkommen langfristig ausreichen, um eine sichere Rente zu gewährleisten. „Wer 40 Jahre lang Vollzeit arbeitet und dabei den Durchschnittsverdienst erzielt, sollte im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein“, so Lydia Staltner. Doch genau dieses Szenario droht immer häufiger. Besonders betroffen sind Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, Alleinerziehende, pflegende Angehörige oder Teilzeitbeschäftigte – also viele derer, die heute bereits in prekären Verhältnissen leben und keine Mittel haben, zusätzlich privat vorzusorgen.
Lichtblick Seniorenhilfe Münster fordert daher ein Umdenken: Eine echte Rentenreform muss nicht nur das Rentenniveau stabilisieren, sondern auch die Realität der Lebenshaltungskosten abbilden – insbesondere in Städten wie Münster, wo allein eine durchschnittliche Mietwohnung schnell 800 bis 1.000 Euro monatlich kosten kann. Wer dann noch Heizkosten, Lebensmittel, Medikamente und Alltagsbedarf stemmen muss, steht schnell mit dem Rücken zur Wand – selbst mit einer Rente von knapp 1.500 Euro.
Der Verein spricht sich deshalb klar für ein Konzept aus, das Grundsicherung vermeidet, ohne zusätzliche Antragshürden zu schaffen. Eine automatische Aufstockung bei zu niedrigen Renten – unabhängig vom Antrag auf Sozialhilfe – könnte für viele ältere Menschen eine spürbare Erleichterung bringen, ohne sie zu Bittstellern zu machen.
Natürlich gibt es auch Stimmen, die der Darstellung von Lichtblick widersprechen. Ökonomische Studien zeigen, dass mit 45 Beitragsjahren und zusätzlicher betrieblicher oder privater Vorsorge oft höhere Renten erzielt werden können. Wer etwa regelmäßig in eine Betriebsrente einzahlt oder Wohneigentum besitzt, ist deutlich besser abgesichert. Zudem schützt auch die Grundrente seit 2021 viele langjährig Beschäftigte vor dem Abrutschen in die Grundsicherung. Das ifo-Institut warnt vor übermäßigen Rentenversprechen, die langfristig jüngere Generationen überfordern könnten – ein berechtigter Einwand.
Doch Lichtblick Münster kontert: Viele Menschen können nicht vorsorgen – weil das Geld am Monatsende nicht reicht, weil familiäre Verpflichtungen Vorrang hatten oder weil die Lohnentwicklung in prekären Branchen stagnierte. Diese Realität dürfe nicht ignoriert werden, nur weil sie nicht in alle Statistiken passt.