Stille Gebete, laute Proteste: So verlief der 1000-Kreuze-Marsch in Münster

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Foto: congerdesign

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Münster. Zwei Seiten, zwei Botschaften, ein vertrautes Konfliktbild: Der sogenannte „1000-Kreuze-Marsch für das Leben“ hat am Sonntag erneut für Spannungen in Münsters Innenstadt gesorgt. Rund 55 Abtreibungsgegnerinnen und -gegner zogen betend mit weißen Holzkreuzen durch die Stadt. Gleichzeitig beteiligten sich laut Polizei rund 600 Menschen an den Gegenprotesten des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und sicherte die gesamte Innenstadt ab.

Gebetszug startet am Aegidiikirchplatz

Gegen 13:30 Uhr versammelten sich die Teilnehmenden des Marsches auf dem St.-Aegidii-Kirchplatz, um Kreuze und Marienbilder zu verteilen. Organisiert wurde der Aufzug wie in den Vorjahren von der Initiative EuroProLife, die sich als überkonfessionelles Netzwerk versteht.

Bereits zu Beginn traf der Gebetszug auf den Gegenprotest: In der engen Gasse am Aegidiimarkt blockierten Aktivistinnen und Aktivisten zeitweise den Zugang. Es kam zu kleineren Rangeleien mit der Polizei, die die Gruppen trennte und Absperrungen errichtete. Für kurze Zeit stockte der Aufzug. Erst nach mehreren Durchsagen konnte sich die Prozession in Bewegung setzen.

Route endet an der Überwasserkirche

Der Marsch führte anschließend über die Ludgeristraße, Salzstraße und den Spiekerhof. Aufgrund der zeitgleich laufenden Kundgebung des Gegenbündnisses auf dem Prinzipalmarkt wurde die geplante Route kurzfristig geändert: Statt wie in den vergangenen Jahren am Domplatz zu enden, führte der Weg diesmal zum Überwasserkirchplatz. Dort versammelten sich die Teilnehmenden zu einem stillen Gebet.

Nach rund zwei Stunden löste sich der Aufzug auf. Augenzeugen berichteten, dass sich viele Teilnehmende anschließend in Kleingruppen entfernten, teilweise begleitet von Rufen und Transparenten der Gegendemonstrierenden.

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600 Menschen protestieren für Selbstbestimmung

Während des gesamten Nachmittags war der Protest lautstark präsent. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Münster hatte zur Gegendemo aufgerufen, unterstützt von feministischen, queeren und linken Gruppen. Sie zogen vom Hauptbahnhof über den Ludgerikreisel bis zum Domplatz, wo am Nachmittag Redebeiträge und Musikaktionen stattfanden.

Nach Angaben des Bündnisses richtete sich der Protest gegen religiösen Fundamentalismus und gegen die politische Vereinnahmung des Themas Abtreibung. In Aktivistenkreisen wurde zudem auf ein vermeintlich „rechtsoffenes Umfeld“ des Marsches hingewiesen. In Social-Media-Posts verweisen die Gruppen auf frühere Teilnahmen einzelner Personen aus parteipolitischen, burschenschaftlichen oder streng konservativen Spektren. Diese Einschätzungen stammen aus aktivistischen Veröffentlichungen und sind bislang nicht unabhängig bestätigt.

Gegen 17 Uhr wurde die Kundgebung beendet. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch die meisten Teilnehmenden des Gebetszugs bereits zerstreut.

Polizei sichert Innenstadt ab

Die Polizei Münster war mit Hundertschaften, Fahrradstaffeln und Videoteams im Einsatz. Absperrgitter und Sperrungen an neuralgischen Punkten wie dem Spiegelturm, der Aa-Brücke und rund um die Überwasserkirche prägten das Bild in der Altstadt.

Insgesamt blieb der Tag weitgehend friedlich, auch wenn die Atmosphäre über Stunden angespannt war. Immer wieder übertönten Sprechchöre und Trillerpfeifen die Gebete des Marsches. Viele Passanten zeigten sich überrascht von der massiven Polizeipräsenz – vor allem, da der Aufzug in diesem Jahr ausnahmsweise an einem Sonntag stattfand und damit weniger Laufpublikum erreichte als in den Jahren zuvor.

Nebel an der Überwasserkirche – Polizei ermittelt

Kurz vor Ende des Marsches kam es an der Überwasserkirche zu einem Zwischenfall: In einem Gebüsch wurde ein Nebeltopf gezündet. Verletzte gab es nicht, die Polizei leitete Ermittlungen wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ein.

Eine abschließende Bilanz der Polizei lag am Sonntagabend noch nicht vor. Weitere Störungen oder Straftaten wurden bislang nicht bekannt.

Ein Ritual mit wachsendem Widerstand

Der 1000-Kreuze-Marsch Münster ist seit vielen Jahren ein fester Bestandteil religiöser Aktivität in der Stadt – und ebenso ein Symbol gesellschaftlicher Spaltung. Für die Veranstalter gilt er als „Gebet für das Leben“, für viele Gegnerinnen und Gegner steht er für ein rückwärtsgewandtes Frauenbild und die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Auch 2025 zeigt sich: Münster bleibt einer der zentralen Schauplätze, an denen sich der Streit um Glauben, Politik und Selbstbestimmung im öffentlichen Raum jedes Jahr neu entlädt.

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