
Münster. Tief unter der Erdoberfläche beginnt ein Bereich, der für direkte Messungen unerreichbar ist. Dennoch versuchen Wissenschaftler seit Jahrzehnten, den inneren Aufbau des Planeten besser zu verstehen. Eine aktuelle Studie mit Beteiligung der Universität Münster liefert nun neue Hinweise darauf, wie der innere Erdkern strukturiert ist und warum sich Erdbebenwellen dort unterschiedlich ausbreiten. Grundlage der Arbeit sind Laborversuche unter extremen Bedingungen sowie der Abgleich mit seismologischen Messdaten. Die Ergebnisse tragen dazu bei, ein lang bekanntes geophysikalisches Rätsel genauer einzuordnen und erweitern das Wissen über Prozesse im tiefsten Inneren der Erde.
Bereits seit vielen Jahren zeigen seismische Messungen, dass sich Erdbebenwellen im inneren Erdkern nicht gleichförmig bewegen. Abhängig von ihrer Ausbreitungsrichtung lassen sich messbare Geschwindigkeitsunterschiede feststellen. Wellen entlang der Erdachse sind schneller als solche, die sich in äquatorialer Richtung ausbreiten. Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass sich diese Unterschiede je nach Tiefe verändern. Die neue Studie ordnet diese Beobachtungen systematisch neu ein. Demnach ist der innere Erdkern kein einheitlicher Körper, sondern weist mehrere Zonen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung auf. Diese innere Schichtung beeinflusst die physikalischen Eigenschaften des Materials und damit auch das Verhalten seismischer Wellen. Für die geowissenschaftliche Forschung, an der auch Teams aus Münster beteiligt sind, stellt dies einen wichtigen Fortschritt dar.
Um die extremen Verhältnisse im inneren Erdkern nachzustellen, setzten die beteiligten Forscher auf Hochdruckexperimente. Dabei wurden kleine Proben aus Eisenlegierungen zwischen Diamanten stark komprimiert und erhitzt. Die verwendeten Materialien enthielten unter anderem Silizium und Kohlenstoff, Elemente, die auch im realen Erdkern vermutet werden. Mithilfe hochauflösender Röntgenstrahlen konnten die Wissenschaftler die innere Struktur der Proben analysieren. Dabei zeigte sich, dass sich die Eisenkristalle unter hohem Druck bevorzugt ausrichten. Diese geordnete Struktur verändert sich mit zunehmender Tiefe und wirkt sich direkt auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Erdbebenwellen aus. Die Ergebnisse liefern somit eine plausible Erklärung für die seismischen Unterschiede, die weltweit gemessen werden, und vertiefen das Verständnis vom inneren Aufbau des Planeten.