
Am 1. Mai 1933 wurde in Münster zum ersten Mal der neue nationalsozialistische Feiertag, der sogenannte „Tag der nationalen Arbeit“, begangen. Dieser Tag, der traditionell als Kampftag der Arbeiterbewegung gefeiert worden war, wurde von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme zum staatlichen Feiertag erklärt. In Münster organisierte die NSDAP gemeinsam mit städtischen Stellen ein groß angelegtes Programm aus Kundgebungen, Umzügen und Feierakten. Tausende Münsteraner – Parteimitglieder, Arbeiter, Angestellte und Familien – nahmen an den Veranstaltungen teil. Wie überall im Reich nutzte das NS-Regime die Maifeier 1933, um Einheit vorzutäuschen und die Arbeiterschaft in die angebliche „Volksgemeinschaft“ einzubinden. Im Folgenden ein Überblick, wie die Feierlichkeiten zum 1. Mai 1933 in Münster abliefen, mit besonderem Fokus auf Veranstaltungen, Reden, Umzüge, Symbolik, Organisatoren, Beteiligung der Bevölkerung, mediale Berichterstattung und die historische Einordnung dieses Ereignisses.
Der 1. Mai 1933 markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des „Tags der Arbeit“. Bis 1932 war dieser Tag in Deutschland als Feiertag der Arbeiterbewegung bekannt und wurde oft von Gewerkschaften und linken Parteien mit Demonstrationen für Arbeitnehmerrechte begangen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 jedoch wurde der 1. Mai von der neuen Regierung kurzerhand umgedeutet und per Gesetz vom 10. April 1933 zum gesetzlichen Feiertag erklärt – als „Feiertag der nationalen Arbeit“. Die NS-Propaganda wollte damit die Arbeiterschaft für sich gewinnen und den bisherigen oppositionellen Charakter der Maifeiern in eine loyale Masseninszenierung zugunsten des Regimes verwandeln. Propagandaminister Joseph Goebbels rief in den Tagen davor eindringlich dazu auf: „Ehret die Arbeit und achtet den Arbeiter! (…) Bekränzt eure Häuser und die Straßen der Städte und Dörfer mit frischem Grün und den Farben des Reiches (…) Deutsche aller Stände, Stämme und Berufe, reicht euch die Hände! Geschlossen marschieren wir in die neue Zeit hinein.“ Dieser Aufruf verdeutlichte das offizielle Motto der Feierlichkeiten: Alle Deutschen – ob Arbeiter oder Arbeitgeber, ob Angestellte, Bauern oder Beamte – sollten an diesem Tag Einigkeit demonstrieren.
Auch in Münster waren diese Vorgaben zu spüren. Die Stadt und die örtliche NSDAP-Führung folgten den zentralen Anweisungen aus Berlin und bereiteten eine umfassende Feier vor. Der neue Feiertag wurde von den Nationalsozialisten auch als „Tag der Volksgemeinschaft“ inszeniert – ein Tag, an dem die Klassengegensätze überwunden scheinen sollten. Ziel war es, die Arbeiterschaft symbolisch in die nationale Gemeinschaft zu integrieren und ihre Loyalität zu gewinnen. Im gesamten Deutschen Reich – von Berlin bis in die Provinzen – wurden Massenkundgebungen organisiert, so auch in Münster.
In den letzten Apriltagen 1933 liefen in Münster die Vorbereitungen für die große Maifeier auf Hochtouren. Die NSDAP-Ortsgruppe Münster und die städtischen Behörden planten gemeinsam das Programm. Die Stadt wurde festlich geschmückt: Öffentliche Gebäude, Plätze und viele Privathäuser in Münster wurden mit Hakenkreuzfahnen sowie den schwarz-weiß-roten Reichsfarben beflaggt. Behörden und NS-Organisationen verteilten frisches Grün und Girlanden, um Straßen und Plätze zu dekorieren, ganz im Sinne des Aufrufs aus Berlin. In den lokalen Zeitungen erschienen Aufrufe an die Bevölkerung, am 1. Mai teilzunehmen und ihre Verbundenheit zu zeigen. So forderten Anzeigen und Artikel die Münsteraner auf, „Fahnen raus!“ zu hängen und an den Feierlichkeiten mitzuwirken. Der neue Sinn des 1. Mai wurde propagiert: statt Klassenkampf nun nationale Eintracht. Zahlreiche Vereine und Betriebe kündigten eigene Treffen oder Ausmärsche an, um sich anschließend geschlossen der Hauptkundgebung anzuschließen.
Besondere Aufmerksamkeit galt auch der Beteiligung der Gewerkschaften. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), der bis dahin die Maifeiern organisiert hatte, hatte sich – in der Hoffnung auf Schonung durch das NS-Regime – entschieden, die offiziellen Feiern mitzutragen. In Münster bedeutete dies, dass lokale Gewerkschafter ihre Mitglieder aufforderten, sich den Veranstaltungen der NSDAP anzuschließen, anstatt eigene Kundgebungen abzuhalten. Die städtische Verwaltung unter dem inzwischen gleichgeschalteten Oberbürgermeister arbeitete mit der Parteiführung Hand in Hand, um ein möglichst eindrucksvolles Spektakel vorzubereiten. Schulen und Ämter blieben an diesem Montag geschlossen, damit möglichst alle Einwohner teilnehmen konnten. Die Sicherheitskräfte – darunter Polizei sowie Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS) – standen bereit, um den Ablauf zu organisieren und jede mögliche Störung zu unterbinden. Münster sollte am 1. Mai 1933 ein Bild geschlossener Begeisterung liefern.
Am 1. Mai 1933 selbst strömten bereits am Vormittag viele Menschen ins Stadtzentrum von Münster. Gegen Mittag formierten sich in verschiedenen Teilen der Stadt Umzüge: Belegschaften mehrerer großer Arbeitgeber sammelten sich mit ihren Betrieben, oft angeführt von ihren Betriebsleitern und in Begleitung von NSDAP-Vertrauensleuten. Auch Handwerksinnungen und Beamtenverbände schlossen sich in Marschblocks zusammen. Diese Züge bewegten sich, teils mit Marschkapellen, durch die mit Zuschauern gesäumten Straßen in Richtung der zentralen Kundgebungsstätte. In Münster diente hierfür der weitläufige Hindenburgplatz (der heutige Schlossplatz) vor dem Fürstbischöflichen Schloss als Aufmarschgelände. Dort fanden sich am Nachmittag tausende Menschen zu einer großen Massenkundgebung ein. Zeitzeugenberichten zufolge bedeckte ein Meer aus Fahnen und Transparenten den Platz, während die Menge in Reih und Glied aufgestellt war.
Zum Auftakt der Kundgebung wurden – synchron mit den reichsweiten Feierakten – über Lautsprecher die zentralen Reden aus Berlin übertragen. So sollen auch in Münster die Ansprachen von Reichspräsident Paul von Hindenburg und Propagandaminister Goebbels vom Berliner Festakt zu hören gewesen sein. Im Rundfunk begrüßte Hindenburg die Deutschen an diesem Tag mit patriotischen Appellen; diese Worte erklangen nun auch über Münsters Domplatz und Hindenburgplatz, wo Lautsprecherwagen aufgestellt waren. Anschließend folgte die Live-Übertragung einer Rede Joseph Goebbels’, der den „neuen Sinn“ des 1. Mai beschwor und den Arbeitern für ihren Einsatz dankte – selbstverständlich mit propagandistischer Absicht. Die versammelte Menschenmenge in Münster lauschte diesen Stimmen aus der Reichshauptstadt, viele zum ersten Mal direkt über Lautsprecher an einem öffentlichen Platz.
Nach den Übertragungen aus Berlin traten lokale NS-Größen ans Mikrofon, um zu den Münsteraner Bürgern zu sprechen. Berichten zufolge hielt zunächst der NSDAP-Kreisleiter von Münster eine Ansprache, in der er die Bedeutung des Tages für die Stadt betonte. Es wurde verkündet, dass die „deutsche Arbeit“ nun endlich die ihr gebührende Ehre erhalte und dass Münster stolz Teil dieser nationalen Erhebung sei. Auch ein Vertreter der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation (NSBO) – der NSDAP-Betriebsgewerkschaft – richtete Worte an die Anwesenden. Er erklärte, dass nun Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer „Betriebsgemeinschaft“ verbunden seien, und pries die angebliche Überwindung der Klassengegensätze. Symbolisch demonstriert wurde dies dadurch, dass Unternehmer und Arbeiter eines Betriebs beim Einmarsch nebeneinander unter dem jeweiligen Firmenschild marschierten. Solche Bilder waren auch in Münster zu sehen: Mitarbeiter der städtischen Betriebe, der Eisenbahn, der Post und verschiedener mittelständischer Unternehmen der Stadt traten gemeinsam mit ihren Vorgesetzten auf.
Die Redner in Münster griffen die Parolen der NS-Führung auf: Sie beschworen die „Volksgemeinschaft“, dankten dem „Führer“ Adolf Hitler für die Wiedereinführung dieses Feiertags und versprachen soziale Wohltaten. Viele in der Menge beantworteten die Ausführungen mit dem Hitlergruß und Rufen wie „Sieg Heil“. Zum Abschluss der Kundgebung sang die Versammlung gemeinsam patriotische Lieder. Unter anderem erklangen das Deutschlandlied („Deutschland, Deutschland über alles“) und das Horst-Wessel-Lied, die Hymne der NSDAP. Die Stimmung wurde von den gleichgeschalteten Medien später als begeisternd und feierlich beschrieben – obgleich die tatsächliche Begeisterung vieler Arbeiter wohl eher verhalten war und manche hauptsächlich aus Neugier oder sozialem Druck teilnahmen.
Die Feier am 1. Mai 1933 in Münster war reich an Symbolik und sollte als perfekt inszeniertes Schauspiel der NS-Propaganda erscheinen. Visuell dominierte an diesem Tag auch in Münster das neue Machtgefüge: Hakenkreuzfahnen wehten allenthalben, oft begleitet von der alten schwarz-weiß-roten Reichsflagge, die nun offiziell wieder verwendet wurde. Die Farbe Rot, ehemals Symbol der Arbeiterbewegung, war nun nur noch Teil der Nazi-Flagge zu sehen – rote Fahnen der Sozialisten oder Gewerkschaften suchte man vergeblich. Stattdessen waren städtische Gebäude, etwa das historische Rathaus und das Stadthaus, mit riesigen Hakenkreuzbannern behängt. Auf dem Kundgebungsplatz selbst flankierten Fahnenmasten die Rednertribüne. Möglicherweise wurde in Münster – analog zu anderen Städten – auch ein junger Baum gepflanzt oder eine Eiche geweiht, um die Verbundenheit mit „deutschem Brauchtum“ zu betonen (in einigen Orten gab es sogenannte „Hitler-Eichen“ als Teil der Maifeiern).
Die Teilnehmer selbst wurden Teil der Inszenierung. Viele erschienen in ihren jeweiligen Uniformen: SA-Männer in braunen Hemden und Stiefeln, SS-Angehörige in schwarzer Uniform, Hitlerjugend in ihrer Jugendkleidung, der Stahlhelm-Verband (eine nationalkonservative Veteranenorganisation) in Stahlhelmen und militärischen Mänteln. Zahlreiche Arbeiter und Angestellte trugen zur Feier des Tages ihre Sonntagskleidung und hatten kleine Ansteckfähnchen oder Abzeichen mit Hakenkreuzen erhalten. Die Marschblocks der Umzüge waren so geordnet, dass die Mischung der Stände deutlich wurde – überall liefen „Volksgenossen“ Seite an Seite, ob Fabrikdirektor oder Fabrikarbeiter, Lehrer oder Schüler, Mann oder Frau. Dieses Bild sollte den propagierten „Gemeinschaftsgeist“ spiegeln. Fotoreportagen jener Zeit – so auch in Münster – zeigten dicht gedrängte Menschenmassen mit erhobenen rechten Armen, flankiert von SA-Leuten, und geschmückte Festwagen, die durch die Straßen rollten. Besonders eindrucksvoll war für viele Beobachter, dass an diesem Tag auch die sonst eher zurückhaltende münstersche Bürgerschaft fast geschlossen auf den Beinen zu sein schien. Das Gefühl, Teil eines großen historischen Moments zu sein, wurde von der Regie der Veranstaltung geschickt erzeugt: Musikchöre, Fanfarenklänge und Böllerschüsse begleiteten mancherorts die Feier.
Die Beteiligung der Bevölkerung in Münster am 1. Mai 1933 war hoch – es wurde von einer „ungewöhnlich großen Menschenmenge“ gesprochen. Genaue Zahlen sind für Münster nicht eindeutig überliefert, doch zeitgenössische Berichte der NS-Presse sprachen von einer „beispiellosen Teilnahme“. Schätzungen gehen von mehreren zehntausend Teilnehmern in der Stadt aus, was angesichts der damaligen Einwohnerzahl eine große Mobilisierung darstellte. Dazu trug bei, dass der 1. Mai erstmals ein bezahlter Feiertag war – die Menschen mussten nicht arbeiten und konnten an den Veranstaltungen teilnehmen, ohne Lohnausfall zu befürchten. Auch das frühlingshafte Wetter soll in Westfalen an diesem Tag mitgespielt haben, was die Bereitschaft erhöhte, ins Freie zu gehen.
Ein wichtiger Aspekt war die Lenkung und Organisation durch die NSDAP und ihre Untergliederungen. In Münster fungierten die örtlichen Parteiinstanzen – Kreisleitung und Zellen – als Hauptorganisatoren. Sie koordinierten die Sammlung der Betriebe, die Reihenfolge der Marschkolonnen und die Aufstellung auf dem Platz. Die SA und SS übernahmen Ordnungsdienste: Sie sperrten Straßen ab, leiteten die Züge, und sorgten dafür, dass alles diszipliniert verlief. Augenzeugen berichten, dass SA-Leute an diesem Tag an nahezu jeder Straßenecke in der Innenstadt postiert waren, um den Takt anzugeben. Außerdem waren sie dafür zuständig, etwaige regimekritische Aktionen im Keim zu ersticken – allerdings kam es offenbar in Münster zu keinen offen sichtbaren Störungen; oppositionelle Kräfte (wie die verbotene KPD) konnten allenfalls heimlich Flugblätter streuen, hatten aber angesichts der Übermacht der Nazis keine Chance, wahrgenommen zu werden.
Die Gewerkschaften spielten eine tragische Doppelrolle. ADGB-Funktionäre in Münster hatten ihre Mitglieder zum Mitmachen ermuntert – einige Gewerkschafter trugen bei der Kundgebung sogar ihre Embleme oder Vereinsnadeln, um Präsenz zu zeigen. Man hoffte, dadurch zu demonstrieren, dass die Arbeiterbewegung loyal zum Staat stehe und so vielleicht Schlimmeres zu verhindern. Auch Vertreter der christlichen Gewerkschaften beteiligten sich an den Maifeiern. In den Umzügen liefen deshalb tatsächlich viele bisherige Vereins- und Gewerkschaftsmitglieder mit. Die NS-Presse wertete dies als Beweis, dass nun endlich „alle Arbeiter hinter Adolf Hitler“ stünden. In Wahrheit war dieser Schulterschluss jedoch erzwungen und nur von kurzer Dauer – die freien Gewerkschaften hatten ihre letzte Demonstration praktisch im Gleichschritt mit den Nationalsozialisten absolviert.
Die Stadtverwaltung Münster unterstützte die Feier nach Kräften. Schon im Vorfeld hatte sie gemeinsam mit der NSDAP die Bevölkerung informiert. Städtische Angestellte mussten ebenfalls teilnehmen; es gab interne Dienstanweisungen, am 1. Mai bei den Veranstaltungen zu erscheinen. Der noch vorhandene Stadtrat – inzwischen gleichgeschaltet – schloss sich offiziell dem Aufruf an, den „Nationalen Feiertag“ würdig zu begehen. Somit trat Münster am Maifeiertag 1933 nach außen geschlossen auf: Partei, Verwaltung, Betriebe und weite Teile der Bürgerschaft beteiligten sich zumindest dem Anschein nach einmütig.
Die mediale Begleitung und Nachberichterstattung des 1. Mai 1933 in Münster erfolgte vor allem durch die lokalen Zeitungen, die zu diesem Zeitpunkt bereits unter NS-Einfluss standen. Am nächsten Tag, dem 2. Mai 1933, überschlugen sich die Schlagzeilen der örtlichen Presse mit Superlativen über die Maifeier. Die „Westfälische Neueste Nachrichten“ sowie der „Münsterische Anzeiger“ brachten bebilderte Berichte über die „gewaltige Maikundgebung in Münster“. Fotos zeigten die marschierenden Kolonnen und den dicht gefüllten Hindenburgplatz. Die Zeitungen sprachen von einer historischen Demonstration der Geschlossenheit. In Artikeln war zu lesen, Münster habe ein „nie dagewesenes Bild nationaler Einheit“ gezeigt. Die Teilnahme der Arbeiter wurde hervorgehoben und als Beleg präsentiert, dass die nationalsozialistische Regierung auch das Vertrauen der Arbeitnehmerschaft genieße.
Einleitend wurde oft erwähnt, dass Adolf Hitler persönlich den Deutschen diesen Feiertag geschenkt habe. Die Presse zitierte aus Hitlers eigener Rede, die er abends am 1. Mai in Berlin vor riesigem Publikum hielt, und stellte Verbindungen zu Münster her. „Auch die Münsteraner Volksgenossen haben den Ruf des Führers vernommen und sind in geschlossener Formation angetreten“, schrieb sinngemäß ein Kommentar. Besonders lobend erwähnten die Berichte die Festdekoration der Stadt – man betonte, wie prachtvoll die Prinzipalmarkt-Giebel und öffentlichen Gebäude beflaggt waren, sodass kaum ein Haus ohne Fahne blieb. Zudem wurden die Reden der lokalen NS-Führungskräfte zusammengefasst, oftmals mit direkten Zitaten ihrer Appelle zur Volksgemeinschaft und Arbeiterehre.
Die gleichgeschaltete Presse verschwieg natürlich nicht, dass auch prominente Vertreter der Kirche und des Bürgertums anwesend waren – so wurde berichtet, dass z.B. Honoratioren aus Verwaltung und Wirtschaft in den ersten Reihen standen. All dies diente dazu, den Eindruck zu erwecken, der ganze „Volkskörper“ habe an diesem Tag in Münster gefeiert. Kritik oder abweichende Stimmen tauchten in den Medien nicht auf. Wer den 1. Mai 1933 aus persönlicher Überzeugung gemieden hatte, konnte dies nur still tun; öffentlich artikuliert wurde so etwas nicht. Stattdessen manifestierte sich in der Pressesprache bereits der neue Zeitgeist: Der 1. Mai wurde künftig nicht mehr als Tag des Klassenkampfs, sondern als Tag der „nationalen Arbeit“ und Einheit bezeichnet.
Interessant ist im Rückblick, dass die Münstersche Zeitung vom 3. Mai 1933 zwar euphorisch über die Maifeier berichtete, doch direkt daneben auch schon die nächste Entwicklung verkündete: Die „Säuberung“ der Gewerkschaften. So dicht folgten Triumph und Repression aufeinander – ein Zusammenhang, der im Mai 1933 vielen erst klar wurde.
Die Feierlichkeiten zum 1. Mai 1933 in Münster standen exemplarisch für die Strategie der Nationalsozialisten, gesellschaftliche Gruppen gleichzuschalten und propagandistisch zu vereinnahmen. Was als feierliches Arbeiterfest inszeniert wurde, entpuppte sich im Nachhinein als perfider Auftakt zur endgültigen Zerschlagung der freien Gewerkschaften. Schon am 2. Mai 1933, also einen Tag nach der großen Maikundgebung, rückten in Münster wie im gesamten Reich SA-Trupps aus, um die Gewerkschaftsbüros zu besetzen. In Münster stürmten SA-Männer das Gewerkschaftshaus des ADGB in der Dammstraße und besetzten das Gebäude. Gewerkschaftsfunktionäre, die tags zuvor noch Arm in Arm mit den Nazis marschiert waren, wurden nun verhaftet, aus ihren Ämtern entfernt oder drangsaliert. Die Nationalsozialisten hatten den guten Willen der Arbeiterbewegung schamlos ausgenutzt: Die Maifeier diente als letzte Falle, um die Organisationen der Arbeitnehmer zu identifizieren und ihnen unmittelbar danach den Todesstoß zu versetzen.
Historiker werten den 1. Mai 1933 daher als geschickt inszenierten Propagandasieg der Nazis – eine Schein-Versöhnung mit den Arbeitern, gefolgt von brutaler Gleichschaltung. In Münster bedeutete dies, dass jede unabhängige politische Betätigung der Arbeiter ab Mai 1933 unmöglich wurde. An die Stelle der zerschlagenen Gewerkschaften trat kurz darauf die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF), in der alle Arbeitnehmer zwangsweise organisiert wurden. Auch der Stadtrat und alle Vereine wurden in den folgenden Monaten gleichgeschaltet. Die Maifeier 1933 war somit Teil der frühen Etablierung der NS-Herrschaft in der Stadt.
Rückblickend ist der 1. Mai 1933 in Münster nicht nur ein Beispiel für eine pompös inszenierte Nazi-Feier, sondern auch ein Lehrstück dafür, wie Diktaturen Feiertage und Symbole instrumentalisieren. Was offiziell als „Tag der nationalen Arbeit“ gefeiert wurde, diente tatsächlich der Zementierung der Machtverhältnisse. Die Bevölkerung Münsters erlebte zwar an jenem Tag ein eindrucksvolles Spektakel aus Flaggen, Marschmusik und Gemeinschaftsgefühl, doch der Preis dafür war die Freiheit der Arbeiterbewegung.
In der historischen Betrachtung wird die Maifeier 1933 als Anfang einer Reihe von NS-Feier- und Propagandatagen gesehen, die die Gesellschaft auf Linie bringen sollten. Schon 1934 wurde der 1. Mai umbenannt in den „Nationalen Feiertag des Deutschen Volkes“ – der Begriff „Arbeit“ verschwand aus der offiziellen Bezeichnung, was die völlige Entkernung des ursprünglichen Anliegens offenbart. Heute erinnert man sich in Münster und ganz Deutschland an den 1. Mai 1933 als den Tag, an dem ein traditionsreicher Feiertag für propagandistische Zwecke missbraucht wurde. Gedenktafeln (etwa am Domplatz, wo wenige Tage später eine Bücherverbrennung stattfand, oder an der Dammstraße, dem Ort des ehemaligen Gewerkschaftshauses) mahnen an die Geschehnisse jener Zeit. Der moderne Tag der Arbeit am 1. Mai wird in demokratischer Tradition begangen – in bewusster Abgrenzung zu den Ereignissen von 1933, als in Städten wie Münster die Nationalsozialisten dieses Datum für ihre Zwecke okkupierten.