
Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster während der NS-Zeit, wurde durch seinen mutigen Widerstand gegen das NS-Regime bundesweit bekannt. In mehreren Predigten im Jahr 1941 prangerte er offen die Gewaltmaßnahmen der Nationalsozialisten an – darunter insbesondere die sogenannte „Euthanasie“ an kranken und behinderten Menschen. Mit diesem beispiellosen Vorgehen brachte der Geistliche, den die Bevölkerung ehrfurchtsvoll den „Löwen von Münster“ nannte, die Verbrechen des Regimes ins öffentliche Bewusstsein. Galens Aufbegehren beeinflusste nicht nur die katholische Bevölkerung in Münster, sondern fand auch überregional Widerhall und zwang die Machthaber zu Reaktionen. Bis heute wird seiner in Münster in vielfältiger Weise gedacht – vom Denkmal bis zu Gedenkveranstaltungen.
Bereits im Sommer 1941, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs, erhob Münsters Bischof Clemens August Graf von Galen in der Öffentlichkeit seine Stimme gegen zentrale Maßnahmen des NS-Staates. In drei Predigten, die er am 13. und 20. Juli sowie am 3. August 1941 vor vollem Haus in Münster hielt, kritisierte er scharf die „Terrormethoden der Gestapo“, die Beschlagnahmung katholischer Klöster und die Ermordung von wehrlosen Kranken in Heil- und Pflegeanstalten. Diese mutigen Anklagen vom Altar aus waren in ihrer Offenheit einzigartig im „Dritten Reich“: Von Galen vermied es zwar bewusst, Adolf Hitler direkt namentlich anzugreifen, doch er stellte sich frontal gegen führende Institutionen des Regimes.
Die Wirkung der Predigten folgte auf dem Fuß. Mitschriften der Worte des Bischofs zirkulierten bald im Untergrund, abgeschrieben und weitergereicht von zahlreichen Bürgern. Sie gelangten sogar ins Ausland: Der britische Rundfunk (BBC) strahlte von Galens Worte aus, und alliierte Flugzeuge warfen die Texte als Flugblätter über Deutschland ab. Über Westfalen hinaus wurde der Bischof so rasch als Stimme des Gewissens bekannt – im Volksmund erhielt er den Beinamen „Löwe von Münster“ für seinen furchtlosen Widerstand.
Besonders eindringlich wandte sich Graf von Galen gegen die sogenannte „Euthanasie“ – das geheime NS-Programm zur Ermordung psychisch kranker und behinderter Menschen (Aktion T4). In seiner Predigt vom 3. August 1941 schilderte er, wie auch in Westfalen und im Raum Münster Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten abtransportiert wurden und ihre Angehörigen kurz darauf amtliche Mitteilungen über plötzliche Todesfälle samt bereits erfolgter Einäscherung erhielten. Er äußerte den „an Sicherheit grenzenden Verdacht“, dass hinter diesen Vorgängen die Doktrin stehe, man dürfe sogenanntes „lebensunwertes Leben“ vernichten. Von Galen erklärte unmissverständlich, jede vorsätzliche Tötung Unschuldiger sei Mord und gab bekannt, dass er deswegen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Münster sowie beim örtlichen Polizeipräsidenten erstattet habe.
Diese Predigt entfachte weit über Münster hinaus Aufsehen und gilt als Schlüsselmoment im öffentlichen Diskurs über die Euthanasie-Politik des Nationalsozialismus. Tatsächlich sah sich die NS-Führung wenige Wochen später gezwungen, die „Aktion T4“ vorerst zu stoppen – aus Furcht vor weiterem kirchlichen Widerstand und weil die Euthanasie in der deutschen Bevölkerung keinen Rückhalt fand. Die systematischen Krankenmorde wurden zwar später im Verborgenen fortgeführt, doch von Galens mutiges Auftreten hatte das Massenmorden an Unschuldigen erstmals unübersehbar an die Öffentlichkeit gebracht.
In der überwiegend katholisch geprägten Region Münsterland fand von Galens Haltung großen Rückhalt in der Bevölkerung. Viele Gläubige schöpften aus seinen Worten Kraft und verteilten Abschriften der Predigten heimlich weiter – teils sogar an deutsche Soldaten. Die Nationalsozialisten wiederum wagten es angesichts der Popularität des Kirchenmannes nicht, gegen ihn persönlich vorzugehen. Zwar forderten lokale NS-Funktionäre nach den Predigten die Verhaftung des Bischofs, doch in Berlin befürchtete man Unruhen im katholischen Westfalen, sollte dem hochangesehenen Geistlichen etwas geschehen. Propagandaminister Joseph Goebbels sprach sich deshalb dafür aus, „keine katholischen Märtyrer während des Krieges zu schaffen“, und vertagte eine mögliche Abrechnung mit dem „Löwen von Münster“ demonstrativ auf die Zeit „nach dem Endsieg“. So blieb Graf von Galen – geschützt durch seine Stellung und den Rückhalt der Gläubigen – bis Kriegsende auf freiem Fuß, was viele Zeitgenossen als Sieg des Gewissens über die NS-Willkür werteten.
Über Münster und Westfalen hinaus wurde Galens Widerstandsgeist ebenfalls wahrgenommen. Internationale Medien berichteten über den unbeugsamen Bischof, und seine Worte dienten den Alliierten als moralische Waffe im Propagandakrieg. Die BBC verlas Auszüge seiner Ansprachen an ein weltweites Publikum, wodurch von Galen schlagartig zu einem Symbol des christlichen Widerstands gegen Hitler wurde. Sogar der polnische Zwangsarbeiter Karol Wojtyła – der spätere Papst Johannes Paul II. – erhielt heimlich Abschriften von Galens Predigten; dadurch erkannte er nach eigener Aussage das „andere Deutschland“, das zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus bereit war.
Die 1978 errichtete Bronze-Statue von Clemens August Graf von Galen auf dem Domplatz in Münster erinnert eindrucksvoll an den furchtlosen Bischof. Das 3,60 Meter hohe Denkmal zeigt von Galen mit erhobener rechter Hand (jedoch ohne die sonst übliche Bischofsmitra) und würdigt ausdrücklich seine kritische Haltung gegenüber dem NS-Regime und sein Eintreten gegen die NS-Euthanasie. Bis heute ist der „Löwe von Münster“ damit sichtbar im Stadtbild präsent – als Mahnmal für Zivilcourage und Widerstand in Münster.
Auch die Kirche und die Stadt Münster pflegen das Andenken an den Bischof. Im St.-Paulus-Dom, wo von Galen in der Ludgerus-Kapelle seine letzte Ruhestätte fand, werden zu besonderen Anlässen Gedenkgottesdienste gefeiert – etwa zu seinem 75. Todestag am 22. März 2021. 2005 wurde Clemens August Graf von Galen durch Papst Benedikt XVI. seliggesprochen, was seine Bedeutung als Glaubenszeuge unterstreicht. Zudem widmen sich Ausstellungen und Publikationen regelmäßig seinem Wirken: So zeichnete das Stadtmuseum Münster in der Foto-Schau „Triumph und Tod“ die letzten Lebenstage des Kardinals nach – von seinem triumphalen Empfang in Münster nach der Kardinalserhebung 1946 bis zu seinem überraschenden Tod wenige Tage späterpresse-service.de. Auf diese Weise bleibt die Erinnerung an Graf von Galen und seinen Widerstand in Münster lebendig – als Teil des regionalen und nationalen Gedächtnisses an die NS-Zeit.