
Der Wohnungsbau-Turbo ist eine bundesweiten Initiative zur Beschleunigung von Bauvorhaben und betrifft Städte wie Münster mit besonders angespannter Wohnraumsituation. Mit dem neuen Paragrafen 246e BauGB will die Bundesregierung langwierige Verfahren verkürzen und Kommunen mehr Handlungsspielraum geben. Die Maßnahmen greifen dort, wo dringend bezahlbarer Wohnraum gebraucht wird – so wie in Münster.
Hinter dem Wohnungsbau-Turbo verbirgt sich ein politisch ambitioniertes Konzept, das auf drei Leitprinzipien basiert: Tempo, Technologie und Toleranz. Ziel ist es, Bauvorhaben deutlich zu beschleunigen – und zwar in Städten wie Münster, die besonders stark unter Wohnraummangel leiden. Dabei soll die Dauer von Genehmigungsverfahren künftig nicht mehr länger sein als die eigentliche Bauzeit, was angesichts bisher oft schleppender Abläufe ein radikaler Bruch mit der Praxis darstellt.
Gleichzeitig will die Bundesregierung durch den verstärkten Einsatz moderner Technologien wie 3D-Druck, serielle Fertigung oder modularen Holzbau neue Standards setzen. Diese Verfahren gelten als besonders effizient, ressourcenschonend und zeitsparend – und könnten vor allem im mehrgeschossigen Wohnungsbau eine wichtige Rolle spielen. Der dritte Pfeiler des Konzepts, die Toleranz, zielt darauf ab, mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen. Denn ohne Zustimmung der Nachbarschaft bleiben viele Projekte auf der Strecke. Daher soll künftig mehr kommuniziert und weniger blockiert werden – auch wenn das bedeutet, bestehende Widerstände zu hinterfragen.
Die gesetzliche Grundlage für all das bildet der neu geplante Paragraf 246e im Baugesetzbuch. Dieser erlaubt es Städten wie Münster, Wohnungsbauprojekte auch ohne einen klassischen Bebauungsplan voranzutreiben, also einen Wohnungsbau-Turbo. Allerdings ist die Anwendung dieser Regelung klar begrenzt: Nur Kommunen mit einem nachweislich angespannten Wohnungsmarkt können davon Gebrauch machen – eine Voraussetzung, die Münster in jedem Fall erfüllt.
Der neue Paragraf 246e, der zunächst bis zum Jahr 2030 befristet ist, stellt den juristischen Kern des Wohnungsbau-Turbo dar. Er räumt Kommunen wie Münster die Möglichkeit ein, bestimmte Wohnbauprojekte auch dann zu genehmigen, wenn kein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliegt. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um ein Gebiet mit angespannter Wohnsituation handelt und die Gemeinde dem Vorhaben ausdrücklich zustimmt.
Konkret umfasst die Regelung sowohl Neubauten ab sechs Wohneinheiten als auch die Erweiterung oder Erneuerung bestehender Gebäude. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass keine wesentlichen nachbarlichen Interessen verletzt werden und das Projekt mit öffentlichen Belangen vereinbar bleibt. Diese Einschränkungen zeigen, dass der Gesetzgeber zwar Tempo ermöglichen, jedoch nicht die gesamte Planungskultur aushebeln will.
Gerade in Münster, wo der Druck auf dem Wohnungsmarkt groß ist, könnte diese Sonderregelung helfen, neue Projekte schneller zu realisieren. Dennoch bleibt die Umsetzung eine Gratwanderung zwischen Beschleunigung und Qualitätssicherung.
Trotz der politischen Euphorie rund um den Wohnungsbau-Turbo für Münster regt sich deutlicher Widerstand. Ein breites Bündnis aus 23 Organisationen, darunter namhafte Umwelt- und Sozialverbände sowie Architektenkammern, warnt vor massiven Nebenwirkungen. Insbesondere die Umgehung bewährter Instrumente der Bauleitplanung stößt auf scharfe Kritik. Denn ohne verbindliche Beteiligung der Öffentlichkeit droht ein Verlust demokratischer Kontrolle über Bauprojekte.
Außerdem bemängeln Kritiker, dass der Wohnungsbau-Turbo wie für Münster keine verbindlichen Vorgaben für sozialen Wohnraum enthält. Gerade in Städten mit steigenden Mieten wie Münster besteht jedoch ein wachsender Bedarf an bezahlbarem Wohnraum, der nicht allein durch Marktmechanismen gedeckt werden kann. Des Weiteren sehen viele eine ernstzunehmende Gefahr für den Erhalt von Grün- und Agrarflächen sowie für die Baukultur insgesamt.
Auch die Bundesarchitektenkammer äußert sich warnend. Sie spricht von potenziell negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen und betont, dass der Gebäudebestand in vielen Städten nach wie vor große ungenutzte Potenziale birgt. Statt neue Flächen zu versiegeln, sollte – so die Empfehlung – zunächst auf intelligente Nachverdichtung und Umnutzung gesetzt werden.
In Münster herrscht massiver Wohnraummangel. Die Wohnungsnotfallstatistik NRW zeigt: Pro 10.000 Einwohner sind 35 Personen wohnungslos. Studierende mussten zuletzt in Turnhallen unterkommen – ein deutliches Warnsignal.
Laut Mietspiegel 2025 liegt die ortsübliche Vergleichsmiete bei 9,85 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht einem Anstieg um 5,1 % seit 2023. Eigentumswohnungen kosten im Schnitt 3.956 Euro/m², Häuser rund 4.005 Euro/m² (Stand Q1/2025).
Trotz wachsender Nachfrage bleibt das Angebot in Münster begrenzt. Mit dem Baugebiet „Am Dornbusch“ in Amelsbüren wurden 46 Grundstücke ausgewiesen. Außerdem laufen zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen zur Erschließung neuer Wohnflächen.
2024 registrierte die Stadt 2.500 Kaufverträge – mehr als in den Vorjahren. Dennoch bleibt der Bedarf hoch. Der Wohnungsbau-Turbo für Münster soll helfen, die Lücke zu schließen.