Provinzial Logo
Consident.de

In Münster kein Diktat mehr: NRW reformiert das Polizei-Auswahlverfahren

NRW schafft das Diktat für Polizeibewerber ab. Münster bleibt trotzdem zentraler Prüfungsort.
Symbolbild: Beku Kanomi

Teilen:

Münster. Das klassische Diktat ist Geschichte. Die Polizei-Bewerbung in Nordrhein-Westfalen wurde reformiert, und das betrifft nicht nur den Prüfungsinhalt, sondern auch die Art der Leistungsbewertung. Doch obwohl das Diktat entfällt, bleibt Münster als erster Prüfungsort weiterhin im Zentrum des Geschehens. Und die Reformen sind nicht nur ein Fortschritt – sie stoßen auch auf Kritik.

Sprachkompetenz: Kein Diktat mehr, aber trotzdem keine leichten Prüfungen

Lange war das Diktat eine der größten Hürden für angehende Polizeianwärter. Zahlreiche Bewerber scheiterten regelmäßig an Zeichensetzung und Rechtschreibung. Nun setzt das Innenministerium auf digitalisierte Formate: Statt Stift und Papier kommen Multiple-Choice-Fragen, Lückentexte und Korrekturaufgaben zum Einsatz. Diese werden zentral am Computer abgefragt – und zwar beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) in Münster.

Das Ziel sei es laut Landesregierung, den Test moderner und objektiver zu gestalten. Kritiker halten jedoch dagegen: Ein Diktat verlange ein höheres Maß an sprachlicher Präzision. Ob die neuen Aufgaben wirklich gleichwertig sind, ist bislang nicht belegt – eine fundierte externe Evaluation fehlt.

Münster bleibt die erste Hürde im Auswahlprozess

Trotz der Änderungen beginnt jede Polizei-Bewerbung in NRW weiterhin mit einem Testtag in Münster. Dort durchlaufen alle Bewerberinnen und Bewerber den ersten Teil des Auswahlverfahrens. Neben der sprachlichen Eignung wird auch das logische Denken getestet. 

Körperliche Anforderungen bleiben bestehen

Wer Polizist oder Polizistin werden möchte, muss nicht nur geistig, sondern auch körperlich fit sein. Am grundsätzlichen Anspruch hat sich nichts geändert: Das Deutsche Sportabzeichen in Bronze sowie ein Schwimm- oder Rettungsschwimmabzeichen sind weiterhin Pflicht. Beide Nachweise müssen aktuell sein und spätestens zum 1. Juli des Einstellungsjahres eingereicht werden.

Strenge Regeln bei Tattoos und Piercings

Ein weiterer Bestandteil des Auswahlverfahrens bleibt der Umgang mit sichtbarem Körperschmuck. Tattoos mit extremistischen oder sexistischen Inhalten führen zum Ausschluss. Bei fremdsprachlichen Schriftzügen ist eine beglaubigte Übersetzung erforderlich – und zwar auf eigene Kosten. Auch Intimpiercings müssen bei der polizeiärztlichen Untersuchung dokumentiert werden. Die Richtlinien sind streng, sollen jedoch laut Innenministerium der öffentlichen Vorbildfunktion der Polizei gerecht werden.

Abbruchquoten weiter hoch – trotz aller Anpassungen

Ein kritischer Punkt bleibt jedoch bestehen: Die Abbruch- und Entlassungsquoten in der Ausbildung sind seit Jahren hoch. Je nach Jahrgang lagen sie zwischen 16 und 25 Prozent. Auch in den letzten beiden Jahrgängen zeigt sich: Trotz reformierter Prüfungen sinkt diese Zahl nicht spürbar. Das wirft Fragen auf – etwa danach, ob die neuen Formate wirklich zur Auswahl geeigneterer Kandidaten beitragen oder lediglich symptomatisch an der Oberfläche kratzen.

Zu wenig Transparenz bei den Neuerungen

Obwohl das Ministerium betont, die Reformen seien auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt worden, fehlt bislang eine transparente und unabhängige Evaluierung. Wie effektiv die neuen Testformate tatsächlich sind, bleibt damit offen. Auch Bewerberinnen und Bewerber wissen kaum, wie die Aufgaben gewichtet werden oder welche Kompetenzen besonders zählen. Diese Intransparenz könnte zu Unsicherheiten führen – und Bewerber abschrecken.

Digitalisierung ja – aber ohne Qualitätsverlust?

Die Polizei-Bewerbung in NRW ist im Wandel. Der Wegfall des Diktats markiert eine Zäsur – sowohl für das Verfahren selbst als auch für die Ausbildungskultur. Münster bleibt dabei das Herzstück des Einstiegsprozesses. Doch bei aller Modernisierung darf die Qualität nicht auf der Strecke bleiben. Ob die neuen Formate wirklich besser sind, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Bis dahin bleibt die Diskussion offen – und notwendig.

Teilen:

Münster Map
Zum Aktivieren tippen
Route anzeigen

Mehr Beiträge: