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Mehr Psychosen: Teillegalisierung von Cannabis trifft auch Münster

Cannabiskontrollen Münster: Seit Mai 2025 kontrollieren Stadt und Polizei gezielt Konsumverbote in Schulenähe und Fußgängerzonen.
Foto: Alissa De Leva

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Münster. Seit der Teil-Legalisierung von Cannabis im April 2024 melden Kliniken und Krankenkassen in ganz Deutschland deutlich mehr Fälle von psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Konsum der Droge. Auch in Münster zeichnen sich spürbare Folgen ab. Während die Polizei deutlich weniger wegen Besitzes ermitteln muss, steigt die Zahl der jungen Menschen mit Psychosen, Panikattacken oder Abhängigkeitssymptomen.

Mehr Behandlungen durch Cannabis – auch in Münster

Nach einer aktuellen Hochrechnung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) mussten im Jahr 2024 bundesweit rund 250.500 Menschen wegen gesundheitlicher Folgen des Cannabiskonsums behandelt werden – ein neuer Höchststand. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um rund 15 Prozent. Besonders betroffen sind laut KKH junge Erwachsene zwischen 25 und 29 Jahren, bei denen die Fallzahlen am höchsten lagen. Auch bei den 45- bis 49-Jährigen zeigt sich ein spürbarer Anstieg.

In Münster bestätigen Fachleute diese Entwicklung. Am Universitätsklinikum Münster (UKM) melden Ärztinnen und Ärzte eine wachsende Zahl junger Patientinnen und Patienten, die nach dem Konsum von Cannabis psychisch destabilisiert sind. Die Fälle reichen von vorübergehenden Rauschzuständen über paranoide Episoden bis hin zu schwerwiegenden Psychosen.

UKM eröffnet neue Suchtambulanz

Als Reaktion auf eine solche Entwicklung hat das UKM schon im 2024 eine neue Suchtambulanz auf dem Albert-Schweitzer-Campus eröffnet. Sie richtet sich an Betroffene aller Altersgruppen und deckt neben Cannabissucht auch Alkohol-, Medien- und Medikamentenabhängigkeit ab. Das Angebot umfasst unter anderem verhaltenstherapeutische Gruppenangebote, individuelle Beratung sowie eine enge Nachsorge. Die Einrichtung versteht sich als niedrigschwellige Anlaufstelle und ist auch für Erstkonsumentinnen und -konsumenten gedacht.

Polizeiliche Zahlen: Besitz kaum noch verfolgt

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2024 zeigt in Münster ein drastisch verändertes Bild: Die Zahl der registrierten Cannabis-Verstöße wegen Besitzes oder Konsums sank um rund 70 Prozent auf nur noch 341 Fälle (Vorjahr: 1.154). Grund ist die Gesetzesänderung vom 1. April 2024, mit der Cannabis in begrenztem Umfang legalisiert wurde. Der Anbau in kleinen Mengen und der Besitz von bis zu 25 Gramm sind seither erlaubt.

Gleichzeitig bleibt der illegale Handel mit Cannabinoiden auf relativ konstantem Niveau: 103 entsprechende Delikte wurden gemeldet – leicht mehr als im Vorjahr. Das deutet darauf hin, dass der Schwarzmarkt nach wie vor existiert, auch wenn er sich möglicherweise verlagert hat.

Bundesregierung will Cannabis auf Rezept wieder einschränken

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) reagiert nun auf die neuen Entwicklungen mit einem Gesetzentwurf. Demnach sollen Cannabis-Rezepte künftig nur noch nach einem persönlichen Arztbesuch ausgestellt werden dürfen. Der Versand über Online-Apotheken, wie er derzeit noch möglich ist, soll komplett verboten werden. Der Hintergrund: Der Onlinehandel mit medizinischem Cannabis war im zweiten Halbjahr 2024 um 170 Prozent gestiegen – deutlich schneller als die ärztlichen Verschreibungen selbst.

Die Bundesregierung vermutet, dass telemedizinische Angebote zu missbräuchlicher Nutzung beigetragen haben. Besonders bei Privatversicherten war der Onlinekauf beliebt, da hier häufig keine Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt erforderlich war.

Beratungsbedarf in Münster steigt

Auch in Münster suchen seit der Reform mehr Menschen Rat. So berichten niedergelassene Fachärztinnen und Fachärzte von einer Zunahme an Beratungsanfragen. Vor allem Studierende schildern neue oder verstärkte Symptome wie Nervosität, Schlafstörungen oder Panikattacken, die sie mit dem Konsum von Cannabis in Verbindung bringen. In vielen Fällen sei es nicht der regelmäßige Konsum, sondern eine einmalige, aber intensive Erfahrung, die psychische Probleme auslöse.

Diese Hilfsangebote gibt es in Münster

Wer sich in Münster zum Thema Cannabiskonsum beraten lassen möchte oder Hilfe bei psychischen Beschwerden sucht, kann sich an verschiedene Anlaufstellen wenden:

  • UKM-Suchtambulanz, Albert-Schweitzer-Campus, Tel. 0251 83-0

  • DROB Münster (Caritas), Rosenstraße 5, Tel. 0251 899690

  • LWL-Klinik Münster, Friedrich-Wilhelm-Weber-Straße 30, Tel. 0251 915-0

  • FreD-Kurse (Frühintervention bei erstauffälligem Drogenkonsum), Angebote in Schulen und Jugendzentren

Quellen:

  1. Kaufmännische Krankenkasse (KKH) – Hochrechnung zu Behandlungsfällen aufgrund von Cannabis-Konsum, Pressemeldung vom Juli 2025

  2. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – Statistik zum Anstieg des Online-Handels mit medizinischem Cannabis, Jahresbericht 2024

  3. Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums – Entwurf zur Änderung der Cannabis-Verschreibungspraxis, Juli 2025

  4. Polizeiliche Kriminalstatistik Münster (PKS 2024) – Zahlen zu Rauschgiftdelikten im Stadtgebiet Münster

  5. Universitätsklinikum Münster (UKM) – Informationen zur neuen Suchtambulanz, Presseinformation vom Juni 2024

  6. Ärztliche Berichte lokaler Fachpraxen in Münster – Rückmeldungen aus dem hausärztlich-psychiatrischen Bereich zur Entwicklung nach der Teil-Legalisierung

  7. LWL-Klinik Münster / LWL Koordinationsstelle Sucht – Angaben zu regionalen Hilfsangeboten und Präventionsprojekten

  8. Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL/ntv (Februar 2025) – Einschätzung der Bevölkerung zur Cannabisreform

  9. Cannabisgesetz (KCanG) – Gesetz über den kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften, in Kraft seit 01.04.2024

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