
Die Rückkehr der Biber in das Münsterland und ganz NRW sind mehr als nur ein Zeichen erfolgreicher Wiederansiedlung. Sie sind Landschaftsarchitekten mit gewaltigem Einfluss auf ihre Umwelt – und eine politische Herausforderung. Mit ihren Dämmen, Bauten und gefällten Bäumen gestalten sie Flüsse und Auen neu. Doch wo der Mensch Landwirtschaft betreibt oder Straßen und Deiche sichern muss, prallen Interessen aufeinander. Die Rückkehr der geschützten Nager ist daher Anlass für intensive Diskussionen – und nun auch für politischen Handlungsbedarf.
Lange Zeit galten Biber in Nordrhein-Westfalen als ausgestorben. Seit einigen Jahren jedoch wächst ihre Population kontinuierlich. Inzwischen leben wieder rund 2.000 Tiere im Bundesland – und die Ausbreitung geht weiter. Auch im Münsterland gibt es erste feste Reviere. Sichtungen an der Ems, im Raum Rheine oder entlang kleinerer Zuflüsse wie der Bever zeigen: Biber im Münsterland sind keine Ausnahme mehr, sondern eine neue Realität.
Besonders symbolträchtig ist dabei, dass der Biber seit Jahrzehnten das Wappen der Gemeinde Ostbevern bei Münster ziert – und jetzt endlich auch wieder in freier Wildbahn anzutreffen ist. Seine Rückkehr wird vielerorts als Erfolg des Naturschutzes gefeiert.
Doch nicht überall ist die Freude ungetrübt. Biber hinterlassen Spuren, die mit menschlicher Infrastruktur schwer vereinbar sind. Sie untergraben Uferwege, stauen Gräben und verstopfen Entwässerungssysteme. Besonders kritisch: Ihre Tunnelbauten schwächen die Stabilität von Deichen. Im Münsterland sorgt das für Sorgenfalten bei Wasserverbänden und Anwohnern in hochwassergefährdeten Bereichen.
Auch die Landwirtschaft ist betroffen. Überflutete Felder, angenagte Bäume und unterhöhlte Wege sorgen für Unmut. Manche Kommunen berichten von nächtlichen Einsätzen, um Schäden einzudämmen oder Straßensperrungen zu verhindern. Die Biber stellen damit nicht nur ökologische, sondern auch praktische und finanzielle Fragen.
Die Landesregierung hat den wachsenden Handlungsdruck erkannt. Nach einer Anfrage der SPD-Fraktion kündigte Umweltminister Oliver Krischer an, einen landesweiten Bibermanagementplan zu erarbeiten. Der Plan soll Naturschutzbehörden eine klare Handlungsgrundlage liefern, um auf lokale Konflikte flexibel und rechtssicher reagieren zu können.
Dabei sollen auch Erfahrungen aus Belgien und den Niederlanden einbezogen werden, wenngleich das Umweltministerium bislang keinen weiteren Abstimmungsbedarf mit den Nachbarländern sieht. Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen strengen Artenschutz-Vorgaben und den praktischen Bedürfnissen vor Ort zu schaffen.
Während einige Interessengruppen auf Ausnahmeregelungen drängen – etwa auf kontrollierte Entnahme einzelner Tiere in Problemzonen –, werben Umweltorganisationen wie der BUND für mehr Toleranz. Biber gelten dort als „Ökosystem-Ingenieure“, die durch ihre Dämme neue Lebensräume schaffen. Um die Akzeptanz zu fördern, gibt es Bildungsangebote, Informationskampagnen und sogar ein Kinderbuch über die Biber in Münster.
Ein „Biber-Botschafter-Seminar“ ist für 2025 geplant. Ziel ist, Bürger, Landwirte und Behördenvertreter zusammenzubringen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Denn klar ist: Ohne Dialog wird das Zusammenleben mit dem Biber nicht funktionieren.
Die Rückkehr der Biber ist ein ökologisches Comeback mit politischer Sprengkraft. Zwischen Naturschutz und Infrastruktur, zwischen Artenvielfalt und Alltagskonflikten braucht es klare Regeln, technisches Know-how und den Willen zum Ausgleich.