Suche
Close this search box.
Banner consident.de Anzeige

Der Fall Klaus-Dieter und Claus Pierre B.: Zehn Jahre nach dem tödlichen Angriff auf der „Main-River-Ranch“

Maintal, Main River Ranch

Dörnigheim, Maintal

Im Juni 2014 ereignete sich auf der „Main-River-Ranch“ in Dörnigheim, Maintal, ein Verbrechen, das bis heute für Schlagzeilen sorgt. Klaus-Dieter B. (damals 66) und sein Sohn Claus Pierre B. (damals 36) töteten ihre Vermieter Harry und Sieglinde K. in einer Auseinandersetzung, die zunächst als Streit um Mietschulden begann, aber in einer blutigen Tragödie endete. Zehn Jahre später, im Jahr 2024, wird der Fall immer noch diskutiert und steht als Synonym für die Herausforderungen, die die Justiz bei der Aufklärung komplizierter Taten zu bewältigen hat.

Der 6. Juni 2014: Ein tödlicher Streit eskaliert

Am 6. Juni 2014 fuhren Harry und Sieglinde K. zur „Main-River-Ranch“, einem heruntergekommenen ehemaligen Pferdehof, den sie an Klaus-Dieter B. und seinen Sohn verpachtet hatten. Die finanzielle Situation zwischen den Parteien war angespannt – die Mieten wurden oft verspätet oder gar nicht gezahlt. Es war ein Streit, der bereits lange schwärte, doch an diesem Tag sollte er eskalieren.

Anzeige

Was genau an diesem Tag geschah, konnte nie abschließend geklärt werden, da die Versionen der Beteiligten unterschiedlich sind. Fest steht jedoch, dass Harry K. von Claus Pierre B. mit 17 Messerstichen getötet wurde und Sieglinde K. von Klaus-Dieter B. erschossen wurde. Nach der Tat versteckten Vater und Sohn die Leichen unter einem Misthaufen auf dem Gelände der Ranch, in der Hoffnung, die Spuren ihrer Tat zu verwischen. Sie legten die Pistole im Keller von Klaus-Dieter B.s Schwester ab und warfen das Messer in den Main. Das Auto der K.s parkten sie auf einem Supermarktparkplatz, um Zeit zu gewinnen.

Die Ermittlungen: Wochen der Ungewissheit und Entdeckung der Leichen

Wochenlang blieb das Schicksal der Eheleute K. unklar. Die Polizei suchte mehrfach das Gelände der „Main-River-Ranch“ ab, konnte aber keine Spuren finden, die auf ein Verbrechen hinwiesen. Erst als die B.s die Ermittler auf den Misthaufen hinwiesen, wurden die Leichen des Ehepaares entdeckt. Dies markierte den Wendepunkt in den Ermittlungen, die zuvor ins Stocken geraten waren.

Banner Socken Anzeige

Die schockierende Entdeckung zog nicht nur die Aufmerksamkeit der lokalen Bevölkerung auf sich, sondern löste auch in den Medien ein großes Echo aus. Der Fall entwickelte sich zu einem der bekanntesten True-Crime-Fälle in Deutschland, der über die Jahre hinweg immer wieder die Gerichte beschäftigen sollte.

Der erste Prozess 2015: Freisprüche wegen Notwehr

Im August 2015 standen Klaus-Dieter und Claus Pierre B. erstmals vor Gericht. Sie bestritten nicht, die Taten begangen zu haben, behaupteten jedoch, dass sie in Notwehr gehandelt hätten. Harry K., so die Aussage von Claus Pierre B., sei mit einem Messer auf ihn losgegangen und habe ihn attackiert. In einem Zustand der Panik und des Adrenalins habe er sich gewehrt und in einem „Rausch“ gehandelt. Sein Vater Klaus-Dieter B. habe seine Pistole gezogen, um seinen Sohn zu schützen, da Sieglinde K. angeblich mit einem Beil auf ihn losgehen wollte.

Das Landgericht Hanau kam zu dem Schluss, dass eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen werden könne. Der Freispruch der Angeklagten sorgte für heftige Reaktionen, vor allem bei den Angehörigen der Opfer. Diese sahen den Freispruch als ungerecht an und wollten eine härtere Verurteilung der Täter. Nach der Verkündung des Urteils kam es zu Tumulten im Gerichtssaal, und die Angeklagten mussten unter Polizeischutz aus dem Saal geführt werden.

Die Revision: Der Bundesgerichtshof hebt das Urteil auf

Die Staatsanwaltschaft legte unmittelbar nach dem Freispruch Revision ein. Sie argumentierte, dass das Gericht die Beweise unzureichend gewürdigt und die Aussagen der Angeklagten zu leichtfertig als glaubwürdig eingestuft habe. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der das Urteil im Februar 2017 aufhob. Das Gericht sah erhebliche Mängel in der Beweisführung und ordnete an, dass der Fall erneut verhandelt werden müsse.

Dieser Schritt war für die Angehörigen der Opfer ein Hoffnungsschimmer, doch die nächste Runde des Prozesses brachte erneut Enttäuschung. Im März 2018 entschied das Landgericht Hanau wieder zugunsten der Angeklagten. Wieder wurden Klaus-Dieter und Claus Pierre B. freigesprochen – und wieder erhob die Staatsanwaltschaft Einspruch.

Der Wendepunkt: Der Prozess vor dem Landgericht Frankfurt

Im dritten Anlauf kam der Fall schließlich vor das Landgericht Frankfurt, wo er erneut von Grund auf neu aufgerollt wurde. Der Vorsitzende Richter Volker Kaiser-Klan nahm sich viel Zeit, um den Fall gründlich zu prüfen. In einer umfassenden Beweisaufnahme wurden rund 70 Zeugen gehört, darunter auch zahlreiche Sachverständige, die sich mit den psychologischen und sozialen Hintergründen der Angeklagten und der Opfer beschäftigten.

Besonders die Unglaubwürdigkeit der Aussagen von Vater und Sohn B. wurde in diesem Prozess deutlich. Die Richter hinterfragten insbesondere das Verhalten der Angeklagten nach der Tat. Anstatt Hilfe zu rufen oder sich den Behörden zu stellen, hatten sie versucht, die Tat zu vertuschen. Die Leichen wurden versteckt, die Tatwaffen entsorgt, und das Auto der Opfer wurde weggebracht – all diese Handlungen sprachen gegen eine Notwehrsituation.

In seiner mündlichen Urteilsbegründung sagte Richter Kaiser-Klan: „Es wäre logisch gewesen, nach der Tat zu den Nachbarn zu rennen, wenn das alles so gewesen wäre, wie es die Angeklagten schildern.“ Zudem stellte das Gericht fest, dass die Vermieter K. keinen Anlass gehabt hätten, die B.s gewaltsam zu attackieren. Die Miete kam zwar oft verspätet und nicht ohne Konflikte, doch dies allein rechtfertigte keinen derartigen Gewaltausbruch.

Das Urteil: Verurteilung wegen Totschlags

Am Ende des Prozesses lautete das Urteil für beide Angeklagten auf Totschlag. Das Gericht konnte keinen Mordvorsatz nachweisen, doch es sah die Angeklagten als schuldig an, das Vermieter-Ehepaar in einer eskalierten Auseinandersetzung getötet zu haben. Claus Pierre B. wurde für die Tötung von Harry K. zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt, während Klaus-Dieter B. zusätzlich wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt wurde.

Die Staatsanwaltschaft, die zuvor lebenslange Haftstrafen für beide gefordert hatte, zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Urteil. Oberstaatsanwalt Jürgen Heinze betonte, dass der Fall nun endlich umfassend aufgeklärt sei und das Strafmaß der Schwere der Tat gerecht werde. Die Angehörigen der Opfer hingegen hatten gehofft, dass die Taten als Mord gewertet würden und zeigten sich enttäuscht über das Urteil.

Die Bedeutung des Falls: Ein Beispiel für die Komplexität von Notwehr

Der Fall Klaus-Dieter und Claus Pierre B. hat in den letzten zehn Jahren nicht nur die Gerichte, sondern auch die Öffentlichkeit beschäftigt. Er zeigt, wie schwierig es sein kann, zwischen Notwehr und Totschlag zu unterscheiden, und wie viele Faktoren in die juristische Bewertung eines Verbrechens einfließen. Die unterschiedlichen Freisprüche, Revisionen und Verurteilungen spiegeln die Komplexität des deutschen Rechtssystems wider.

Der Fall verdeutlicht auch, wie emotional aufgeladene Verbrechen die beteiligten Familien und die Öffentlichkeit belasten können. Für die Angehörigen der Opfer war der Prozess eine jahrelange Qual, während die Angeklagten immer wieder für ihre Freiheit kämpften.

2024: Zehn Jahre später – Der Fall ist noch nicht abgeschlossen

Im Jahr 2024, zehn Jahre nach dem Verbrechen, sind die Haftstrafen von Vater und Sohn B. beinahe verbüßt, doch das Kapitel ist noch nicht ganz geschlossen. Die Verteidigung kündigte bereits nach dem Urteil von 2018 erneut Revision an, und es bleibt abzuwarten, ob der Fall noch einmal vor Gericht verhandelt wird.

Der Mordfall auf der „Main-River-Ranch“ hat das Leben vieler Menschen unwiderruflich verändert. Für die Familie der Opfer bleibt die Tat ein Trauma, das sie bis heute begleitet. Für Klaus-Dieter und Claus Pierre B. sind die Folgen ebenfalls gravierend, denn trotz ihrer Verurteilung wird der Fall sie wohl bis an ihr Lebensende begleiten.

Ein Fall, der in Erinnerung bleibt

Zehn Jahre nach dem Verbrechen auf der „Main-River-Ranch“ ist der Fall Klaus-Dieter und Claus Pierre B. ein Mahnmal für die Herausforderungen des Strafrechts. Er zeigt, dass Gerechtigkeit manchmal Jahre braucht, um erreicht zu werden, und dass selbst nach mehreren Prozessen und Urteilen oft Zweifel bestehen bleiben. Der Fall hat die Region erschüttert und wird noch lange in Erinnerung bleiben, als eines der bekanntesten und tragischsten Verbrechen, die sich in Maintal jemals ereignet haben.