
Ein KI-generiertes Hologramm eines Verstorbenen spricht in einem Gerichtssaal in Arizona – und sorgt für Aufsehen. Der Fall vereint Trauer, Technologie und Justiz auf nie dagewesene Weise.
Im Mai 2025 erlebte ein Gerichtssaal im US-Bundesstaat Arizona ein emotional aufwühlendes Ereignis, das auch technologisch neue Wege beschritt. Der 37-jährige Christopher Pelkey, der im Jahr 2021 bei einem Streit im Straßenverkehr erschossen worden war, trat posthum noch einmal in Erscheinung. Während der Strafmaßverkündung gegen seinen Täter wurde ein Video gezeigt, das Pelkey mithilfe künstlicher Intelligenz als lebensechtes Hologramm darstellte. Der Avatar richtete sich direkt an den Angeklagten sowie an seine Familie und Freunde. Die Worte waren versöhnlich und tief bewegend. „Ich gehe dann jetzt angeln. Hab’ euch alle lieb. Wir sehen uns auf der anderen Seite“, lautete sein Abschiedsgruß.
Das Video war Teil der sogenannten „Victim Impact Statements“, in denen Hinterbliebene darlegen dürfen, wie sich das Verbrechen auf ihr Leben ausgewirkt hat. Der Auftritt Pelkeys war der letzte Beitrag in einer Reihe von Stellungnahmen und wurde von vielen im Gerichtssaal als höchst emotional und eindrucksvoll empfunden.
Die Idee für das Projekt kam von Pelkeys Schwester Stacey Wales, die ihren Bruder nicht einfach nur in Worten beschreiben wollte. Stattdessen wollte sie ihm eine Stimme geben. Gemeinsam mit ihrem Ehemann und dessen technikaffinem Kollegen entwickelte sie innerhalb weniger Tage ein KI-gestütztes Video. Dazu verwendeten sie ein Foto des Verstorbenen, einen Audiomitschnitt aus einem YouTube-Interview, in dem Pelkey über seine Erfahrungen mit posttraumatischer Belastungsstörung sprach, sowie einen von Stacey selbst verfassten Text.
Mit Hilfe verschiedener KI-Werkzeuge wurde aus diesen Fragmenten ein digitaler Avatar generiert, der Pelkeys Gesicht, Stimme, Mimik und sogar seinen Humor originalgetreu wiederzugeben vermochte. Anders als bei klassischen Deepfakes wurde dabei offen kommuniziert, dass es sich um eine KI-generierte Darstellung handelt. Kleine Unstimmigkeiten in der Lippensynchronisation oder der Gestik änderten nichts daran, dass der Clip als bemerkenswert authentisch wahrgenommen wurde.
Die Reaktionen auf das Video fielen gemischt, aber intensiv aus. Der Richter zeigte sich gerührt von der Darstellung und lobte die Familie für ihren einfallsreichen und gleichzeitig würdevollen Umgang mit dem Gedenken an den Verstorbenen. Die Familie empfand die Möglichkeit, Pelkey noch einmal „sprechen“ zu hören, als heilsam und tröstlich. Besonders für Pelkeys Neffen, der eng mit ihm verbunden war, war der Abschiedsgruß ein wertvoller Moment des inneren Friedens.
Für den Angeklagten, Gabriel Horcasitas, war die virtuelle Konfrontation mit seinem Opfer sicher eine unerwartete, vielleicht erschütternde Erfahrung. Er wurde schließlich zu zehn Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Doch nicht alle waren mit dem Einsatz der Technologie einverstanden. Der Verteidiger des Angeklagten kritisierte das Video als potenziell manipulierend. In einem juristischen Kontext sei es fragwürdig, ob ein KI-generiertes Abbild eines Verstorbenen Einfluss auf das Strafmaß haben dürfe. Der Anwalt legte Berufung gegen das Urteil ein.
Der Fall Pelkey hat eine landesweite Debatte über den Einsatz künstlicher Intelligenz in Gerichtsverfahren ausgelöst. Während einige den technologischen Fortschritt als neuen Weg zur Menschlichkeit in der Justiz werten, warnen andere vor emotionaler Manipulation durch KI-gestützte Darstellungen.
Juristen und Ethikexperten sehen Risiken, insbesondere wenn solche Videos in Zukunft verstärkt eingesetzt würden. Während in diesem Fall Transparenz herrschte, könnte in anderen Fällen die Authentizität schwerer zu überprüfen sein. Die emotionale Wirkung eines Hologramms, das einem verstorbenen Menschen nahekommt, könnte Entscheidungsprozesse beeinflussen, ohne objektive Grundlage zu sein.
In Arizona und darüber hinaus wird nun diskutiert, ob klare Richtlinien geschaffen werden müssen, um den Einsatz solcher Technologien im Gerichtssaal zu regeln. Auch auf Bundesebene fordern Juristen striktere Vorgaben für den Umgang mit KI-generierten Videos im Strafrecht.
Unabhängig von der rechtlichen Bewertung hat der Auftritt des Hologramms Spuren hinterlassen. Für die Familie von Christopher Pelkey war es eine Möglichkeit, Trauer zu bewältigen und Erinnerungen lebendig werden zu lassen. Gleichzeitig wirft das Beispiel Fragen auf: Dürfen wir Toten eine neue Stimme geben? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie eng Technik, Emotion und Recht miteinander verwoben sein können. Künstliche Intelligenz kann Brücken schlagen – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Verstorbenen und Hinterbliebenen. Doch mit dieser neuen Möglichkeit gehen auch Verantwortung, Transparenz und ethische Pflicht einher.
Christopher Pelkeys posthumer Auftritt im Gerichtssaal von Arizona war ein zutiefst menschlicher Moment, der tröstete, verstörte, inspirierte und nachdenklich machte. Die Kombination aus Erinnerung und Innovation, Trauerarbeit und Technologie hat einen Meilenstein gesetzt, der das Justizsystem, aber auch unsere Erinnerungskultur dauerhaft verändern könnte.