
Münster. Vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen in Münster verhandeln heute (10:30 Uhr) acht Großstädte des Landes über eine der wichtigsten kommunalrechtlichen Fragen der letzten Jahre. Bonn, Bottrop, Dortmund, Düsseldorf, Köln, Münster, Solingen und Wuppertal haben Verfassungsbeschwerden gegen die Gemeindefinanzierungsgesetze (GFG) 2022, 2023 und 2024 eingelegt. Sie sehen sich durch die Berechnung ihrer Steuerkraft benachteiligt und fordern eine gerechtere Mittelverteilung zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Städten.
Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Berechnungsformel für die sogenannten Schlüsselzuweisungen. Diese werden vom Land an die Kommunen gezahlt und sollen finanzielle Unterschiede ausgleichen. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren bei der Berechnung der sogenannten „Steuerkraftmesszahl“ unterschiedliche fiktive Hebesätze angesetzt: Für kreisfreie Städte wie Münster gelten höhere Werte als für kreisangehörige Gemeinden. Dadurch wird ihre Steuerkraft rechnerisch größer angesetzt – mit der Folge, dass sie geringere Ausgleichszahlungen erhalten.
Nach Einschätzung der klagenden Städte führt diese Regelung zu erheblichen finanziellen Nachteilen. Laut Berechnungen des Städtetags NRW verschiebt sich jährlich ein Betrag von rund 110 Millionen Euro zugunsten der kreisangehörigen Kommunen. Hinzu kommen etwa zehn Millionen Euro Mehrbelastung durch höhere Umlagen.
Die Kläger sehen darin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Landesverfassung. Alle acht Städte gelten wegen ihrer Größe als kreisfrei, erfüllen aber zugleich zahlreiche Aufgaben für ihre Region, etwa im Sozial- und Bildungsbereich. Sie argumentieren, dass diese strukturellen Belastungen durch die aktuelle Berechnungsweise nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Das Land Nordrhein-Westfalen hält die Differenzierung dagegen für sachlich gerechtfertigt. Der Ansatz höherer fiktiver Hebesätze sei empirisch belegt und spiegele die realen Steuererträge kreisfreier Städte wider.
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Die mündliche Verhandlung findet im Sitzungssaal des Verfassungsgerichtshofs am Aegidiikirchplatz in Münster statt. Verhandelt werden drei Verfahren (Aktenzeichen VerfGH 115/22, 101/23, 133/24) gemeinsam. Eine Entscheidung wird nicht unmittelbar erwartet; das Urteil soll zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden.
Sollten die Städte Erfolg haben, könnte das Land gezwungen sein, die Berechnungsgrundlage für die Gemeindefinanzierung rückwirkend anzupassen – mit möglichen Nachzahlungen für mehrere Haushaltsjahre.