
Münster. Die hausärztliche Versorgung in Nordrhein-Westfalen steht vor großen Herausforderungen. Eine aktuelle Studie der Barmer und der Bertelsmann Stiftung prognostiziert, dass in den kommenden 15 Jahren besonders ländliche Regionen wie das Münsterland unter einem erheblichen Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten leiden werden. Während Münster aktuell noch vergleichsweise gut versorgt ist, zeigen die Prognosen: Schon 2040 könnte die Situation auch in der Stadt spürbar angespannter sein.
Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen steht eine Ruhestandswelle bevor: Ein Viertel der heute praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzte plant, bis 2030 aus dem Beruf auszuscheiden. 92 Prozent davon werden dann älter als 60 Jahre sein. Zum anderen wollen viele Ärztinnen und Ärzte, die im Beruf bleiben, ihre Wochenarbeitszeit reduzieren. Bereits jetzt liegt sie im Schnitt bei 44 Stunden – deutlich mehr als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung – doch bis 2030 soll sie um zweieinhalb Stunden sinken.
Auch die junge Ärztegeneration setzt zunehmend auf Teilzeitmodelle und Anstellungen, was die Gesamtkapazität zusätzlich verringert. Selbst wenn alle freiwerdenden Praxissitze nachbesetzt würden, reiche die verfügbare Arbeitszeit nicht aus, um die wachsende Zahl an Patientinnen und Patienten zu versorgen.
Laut der Studie wächst die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage weiter. Die Bevölkerung wird älter, die Zahl der chronischen Erkrankungen nimmt zu, und gleichzeitig sinkt die Zahl der verfügbaren Hausarztstunden. Besonders betroffen sind ländliche Regionen wie Ostwestfalen-Lippe und das Münsterland.
Die Kartenanalyse der Studie zeigt: Während Münster und seine Nachbarkreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf 2024 noch blau eingefärbt und damit überversorgt sind, kippt das Bild im Jahr 2040 ins Gelb-Orange. Das bedeutet: Versorgung auf Kante oder bereits unter dem Bedarf. Die Stadt Münster selbst wird voraussichtlich noch knapp ausreichend versorgt sein – doch Reserven wie heute gibt es dann nicht mehr.
Die Studienautoren sehen mehrere Stellschrauben, um einer Unterversorgung entgegenzuwirken:
Digitalisierung: Stabile und praxistaugliche Software könnte Terminmanagement, Dokumentation und Befundaustausch erleichtern. Heute berichten 25 Prozent der Ärztinnen und Ärzte über tägliche Softwareprobleme
Aufgabenübertragung: Medizinische Fachangestellte oder Pflegekräfte könnten bestimmte Aufgaben übernehmen, um Ärztinnen und Ärzte zu entlasten.
Gezielte Steuerung: Nachwuchsmediziner müssten stärker für unterversorgte Regionen gewonnen werden – durch Standortbindung, Ausbildungsplätze im ländlichen Raum oder finanzielle Anreize.
In NRW gibt es bereits Programme wie die Landarztquote, die seit 2019 Medizinstudienplätze an Bewerber vergibt, die sich verpflichten, später mindestens zehn Jahre in einer unterversorgten Region tätig zu sein. Zusätzlich locken Förderprogramme mit Zuschüssen bis zu 60.000 Euro für Praxisgründungen auf dem Land.
Für das Münsterland bedeutet die Prognose: Der Ärztemangel wird nicht von heute auf morgen spürbar, aber ohne Gegenmaßnahmen könnten Patientinnen und Patienten schon in 15 Jahren längere Wege und Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Besonders die Landkreise rund um Münster werden vor der Herausforderung stehen, junge Medizinerinnen und Mediziner für eine Niederlassung zu gewinnen.