
Münster hat im Laufe des 20. Jahrhunderts viele Veränderungen erlebt. Zahlreiche prägende Elemente des Stadtbildes und der Kultur sind heute verschwunden. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf einige ausgewählte Bauwerke, Verkehrsmittel und Traditionen aus verschiedenen Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts, die einst zum Alltag in Münster (Westfalen) gehörten – und heute Geschichte sind.
Einst prägten Straßenbahnen das Alltagsbild Münsters: Von 1901 bis 1954 verkehrte die „Elektrische“ auf drei Linien durch die Innenstadt. Die gelb-roten Wagen bimmelten über den Prinzipalmarkt und verbanden Stadtteile auf einer Streckenlänge von insgesamt zwölf Kilometern. Die Straßenbahn Münster wurde schließlich 1954 stillgelegt – zu teuer im Unterhalt und nicht mehr zeitgemäß. Heute erinnern nur noch Museumsstücke an dieses Verkehrsmittel. Wo früher Schienen lagen, rollen jetzt Busse und Fahrräder; die Nostalgie aber bleibt lebendig in den Erzählungen älterer Münsteraner.
Nach dem Ende der Straßenbahn setzte Münster ab den späten 1940er Jahren auf Oberleitungsbusse. Bereits 1949 nahm die Stadt den elektrisch betriebenen O-Bus in Betrieb, der über Leitungsdrähte mit Strom versorgt wurde. In den 1950er und 60er Jahren zuckelten diese Trolleybusse auf festen Routen durch Münster – ein moderner Anblick unter dem Netz der Fahrleitungen. Doch der Versuch hielt nicht lange: 1968 wurde das System wieder eingestellt. Die Oberleitungen verschwanden aus dem Stadtbild, und Münster kehrte vollständig zu Dieselbussen zurück. Der O-Bus bleibt ein kurzer, aber faszinierender Abschnitt der Verkehrsgeschichte Münsters.
Wussten Sie, dass es mitten in Münster einmal einen Zoo gab? Der Westfälische Zoologische Garten wurde 1875 an der heutigen Promenade eröffnet und entwickelte sich zu einem beliebten Ausflugsziel. Generationen von Münsteranern besuchten dort Löwen, Elefanten und exotische Tiere, bis der alte Zoo fast 100 Jahre später weichen musste. 1973 wurde der Zoo geschlossen, um Platz für einen Neubau der Westdeutschen Landesbank zu schaffen. Als Ausgleich bekam Münster einen neuen Zoo auf größerem Gelände am Aasee: den 1974 eröffneten Allwetterzoo. Vom einstigen Tierpark an der Promenade zeugt heute nur noch der Straßenname „Am Stadtgraben“ – und im Stadtgedächtnis lebt die Erinnerung an sonntägliche Zoospaziergänge im Herzen der Stadt weiter.
Die prächtige Synagoge an der Klosterstraße war einst ein bedeutendes Bauwerk der jüdischen Gemeinde in Münster. 1880 feierlich eingeweiht, erhob sich das Gotteshaus in unmittelbarer Nähe der Promenade. Mehrere Jahrzehnte lang prägte die Kuppel der Synagoge das Stadtbild und stand für eine lebendige jüdische Kultur. Doch in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt und brannte vollständig aus. Die Ruine wurde später abgetragen; an ihrer Stelle erinnert heute ein Gedenkstein an das zerstörte Gotteshaus. Die alte Synagoge ist damit ein tragisches Beispiel dafür, wie Münster im 20. Jahrhundert nicht nur bauliche, sondern auch kulturelle Schätze verlor.
Über 100 Jahre lang war das Café Grotemeyer eine Institution in Münster. Gegründet 1850, entwickelte es sich zum bekanntesten Kaffeehaus der Stadt – berühmt für seine Torten, den Wiener Charme und prominente Stammgäste. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Grotemeyer 1949 das erste wieder eröffnete Café Münsters und wurde zum Symbol des Neuanfangs. Umso größer der Verlust: 2019 schloss das Café Grotemeyer nach 169 Jahren endgültig seine Türen. Damit ging die Ära des letzten münsterschen Kaffeehauses in Wiener Tradition zu Ende. Heute befindet sich in den historischen Räumen ein neues Lokal, doch für viele Münsteraner bleiben die gemütlichen Stunden bei Kaffee und Kuchen im Grotemeyer unvergessen.
Die Germania-Brauerei war einst eine der größten Braustätten Münsters und steht stellvertretend für die industrielle Seite der Stadtgeschichte. Gegründet 1899, braute man hier bis weit in die Nachkriegszeit beliebtes Bier (u.a. „Germania Pils“) für die Region. In den 1960er Jahren fusionierte das Unternehmen mit der Dortmunder Union, doch noch bis in die 1980er floss in Münster Gerstensaft vom Germania-Kessel. Dann kam das Aus: 1984 wurde die Bierproduktion in Münster eingestellt. Das riesige Brauereigebäude an der Grevener Straße erhielt 1989 ein zweites Leben als „Germania-Therme“ Erlebnisbad, doch auch dieses schloss 2001 wieder. Schließlich verwandelte sich das Gelände komplett: Unter Einbeziehung denkmalgeschützter Gebäude entstand dort bis 2009 der moderne Germania-Campus mit Wohnungen, Gastronomie und Büros. Von der Brautradition zeugt heute nur noch der Name – und ein Stück Stadtgeschichte, das in den Sudkesseln verewigt bleibt.
Im 20. Jahrhundert gehörten die Kinos fest zur Unterhaltungskultur in Münster. In den goldenen Nachkriegsjahren schossen Lichtspielhäuser wie Pilze aus dem Boden: vom schicken Großkino „Apollo“ am Albersloher Weg bis zum gemütlichen „Capitol“ in der Innenstadt. Doch keine dieser Filmstätten hat bis heute überlebt. Alle alten Kinos in Münster sind verschwunden – nur das Programmkino Schloßtheater und das Cinema bestehen noch. Der Rest fiel dem Kinosterben der 1990er und 2000er Jahre zum Opfer, als Multiplex-Kinos die kleinen Säle verdrängten. So wurde etwa im Jahr 2000 mit Eröffnung des Cineplex das traditionsreiche Apollo-Theater geschlossen, wenig später auch andere Häuser wie der Fürstenhof und das Roland. Was bleibt, sind nostalgische Erinnerungen an Samstagnachmittage mit Popcorn und Schwarzweißfilmen. Die Kinokultur Münsters hat sich gewandelt – doch die Geschichten der alten Lichtspielpaläste leben in Erzählungen weiter.