
Mord in Kölner Salatbar – dieser rätselhafte Fall erschütterte Köln im Sommer 2007. Die 24-jährige Anke Schäfer wurde abends in ihrer eigenen Salatbar in der Gertrudenstraße unweit des Neumarkts brutal getötet. Der Mord in der Salatbar „Supa Salad“ gab der Polizei jahrelang Rätsel auf: Wer betrat das kleine Lokal nach Geschäftsschluss und warum musste die junge Inhaberin sterben? Erst acht Jahre später führten akribische Ermittlungen und ein Quäntchen Zufall zur Aufklärung der Tat.
An einem späten Sonntagabend, dem 22. Juli 2007, arbeitete Anke Schäfer noch allein in ihrer kleinen Salatbar „Supa Salad“ in Köln. Der Laden in der Kölner Innenstadt war bereits geschlossen, doch die junge Inhaberin erledigte Büroarbeiten für den nächsten Tag. Sie sollte an diesem Abend nicht mehr nach Hause kommen. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages machte ihr Bruder Ralf, zugleich Geschäftspartner, die schreckliche Entdeckung: Die 24-Jährige lag leblos und blutüberströmt im begehbaren Kühlraum des Lokals. Anke Schäfer war tot – gestorben „an den Folgen massiver Gewalteinwirkung“, wie die Obduktion später feststellte. Der Täter hatte mit großer Brutalität zugeschlagen: Insgesamt elf Mal wurde mit einem Messer auf die junge Frau eingestochen – in Brust, Gesicht, Arme, Hände und sogar Knie. Anschließend wurde ihr schwer verletzter Körper in den Kühlraum gelegt, wo Anke Schäfer schließlich verblutete. Die grausame Tat war ausgeführt, doch vom Täter fehlte jede Spur.
Polizisten sichern im Juli 2007 Spuren am Tatort: Die kleine Salatbar in der Gertrudenstraße wurde nach dem Mord an Anke Schäfer weiträumig abgesperrt. Die Ermittler der Kriminalpolizei suchten stundenlang nach Hinweisen im Laden und rundherum. Weder die Tatwaffe noch eindeutige Spuren des Täters ließen sich anfangs finden. Lediglich ein weggeworfener Zigarettenstummel wurde im Hinterraum in der Nähe des Kühlhauses entdeckt – mit fremder DNA daran. Dieser mögliche Hinweis auf den Mörder blieb jedoch vorerst ohne Ergebnis: Die DNA-Spur passte zu keiner Person in der Datenbank, eine Zuordnung war damals nicht möglich. Für die Ermittler begann damit ein mühsames Rätselraten, das viele Jahre andauern sollte.
Der Fall entwickelte sich zu einem der mysteriösesten Mordfälle, die Köln je erlebt hat. Von Anfang an tappte die Polizei im Dunkeln: Kein offensichtliches Motiv, keine Zeugen und kaum verwertbare Spuren stellten die Mordkommission vor enorme Herausforderungen. Auffällig war, dass trotz des offenbar geplanten Raubüberfalls Geld in der Kasse zurückgeblieben war. Aufgrund dieses Details schlossen die Ermittler zunächst einen reinen Raubmord aus und zogen eine Beziehungstat oder persönliche Motive in Betracht. Tatsächlich gingen die Fahnder lange von einem Täter aus dem persönlichen Umfeld des Opfers aus. Diese Annahme sollte sich jedoch nicht bestätigen.
In den Monaten und Jahren nach der Tat arbeitete die MK „Supa“ (die eingesetzte Mordkommission) unermüdlich an dem Fall. Die Polizei vernahm unzählige Personen und überprüfte jeden noch so kleinen Hinweis – allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Immer wieder gingen Hinweise ein, und zeitweise geriet sogar eine Gruppe von drei jungen Männern ins Visier der Ermittler. Doch auch diese vermeintlich „heiße Spur“ kühlte schnell wieder ab: Die Verdächtigen mussten mangels Beweisen auf freien Fuß gesetzt werden, ihre DNA stimmte nicht mit den Spuren vom Tatort überein. So verstrich Jahr um Jahr, ohne dass der Täter gefunden wurde. Insgesamt wurden im Laufe der Ermittlungen über 3500 Spuren akribisch ausgewertet und rund 6000 Personen überprüft; die Kripo führte etwa 1800 DNA-Analysen durch – alles vergeblich. Der Mord an Anke Schäfer blieb ungelöst und wurde zur Geduldsprobe für die Ermittler.
Angesichts der stockenden Ermittlungen wandte sich die Polizei bereits wenige Monate nach der Tat an die Öffentlichkeit. In der ZDF-Fernsehsendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ wurde der Fall Anke Schäfer am 13. Dezember 2007 als Filmfall vorgestellt. Die Ermittler hofften, dass die Reichweite der Sendung und die Hilfe der Zuschauer neue Hinweise liefern könnten. In einer nachgestellten Rekonstruktion der Tatnacht wurden die letzten Stunden von Anke Schäfer gezeigt, verbunden mit dem Appell an die Bevölkerung: Wer hat am 22. Juli 2007 verdächtige Beobachtungen in der Nähe der Salatbar gemacht? Zahlreiche Hinweise von Zuschauern gingen in den Tagen nach der Sendung bei der Kölner Polizei ein. Doch der erhoffte Durchbruch blieb aus – kein Hinweis führte zur Identifizierung des Täters. Trotz intensiver Öffentlichkeitsfahndung, Flyern, Plakaten und der TV-Präsenz von Aktenzeichen XY verliefen alle Spuren ins Leere. Der Fall drohte zu einem sogenannten „Cold Case“ zu werden, einem ungelösten Mordfall, der nur noch auf einen Zufallstreffer warten konnte.
Mehr als acht Jahre lang schien der Mord in der Salatbar ungelöst zu bleiben. Tausende Spuren hatte die Polizei ausgewertet, doch keiner der Hinweise führte zum Täter. Dann, im Spätsommer 2015, kam es zu einer unerwarteten Wendung – ausgelöst durch eine Routinemaßnahme in einem völlig anderen Fall. Ein 35-jähriger Mann aus dem Rhein-Sieg-Kreis war in Hamburg in Haft geraten, unter anderem wegen Schwarzfahrens und kleinerer Diebstähle. Enes A., so sein Name, war den Behörden kein Unbekannter. Doch bisher war er nie so schwer auffällig geworden, dass seine DNA mit der nationalen Datenbank des Bundeskriminalamts (BKA) abgeglichen worden wäre.
Das änderte sich, als im Zuge seiner Inhaftierung eine erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet wurde. Dazu zählte auch eine Speichelprobe. Der Abgleich mit der BKA-Datenbank ergab einen Treffer – und dieser war für die Ermittler in Köln eine kleine Sensation. Denn die DNA stimmte exakt mit der Spur überein, die im Juli 2007 auf einem halb gerauchten Zigarettenstummel in der Salatbar am Tatort gefunden worden war. Die Ermittler hatten diese Spur über Jahre hinweg gespeichert und regelmäßig überprüft – bislang ohne Erfolg.
Nun endlich hatten sie nicht nur eine DNA, sondern einen Namen. Die Kripo handelte sofort. Noch im Oktober 2015 reisten Beamte nach Hamburg, um Enes A. mit dem Verdacht zu konfrontieren. Was dann geschah, überraschte selbst erfahrene Ermittler: Der Mann brach im Verhör zusammen und legte ein umfassendes Geständnis ab. „Ich habe auf diesen Tag gewartet“, soll er gesagt haben – und schilderte den Tathergang in erschütternder Detailtreue. Er war in der Nacht des 22. Juli 2007 auf Geldsuche durch Köln gezogen. Als er die unverschlossene Tür der Salatbar entdeckte, sah er darin eine Gelegenheit – mit tödlichen Folgen.
Laut seiner Aussage war Enes A. in jener Nacht ziellos durch die Kölner Innenstadt gewandert. Er hatte kein konkretes Ziel, aber einen dringenden Bedarf an Geld. Der damals 36-Jährige war spielsüchtig und lebte zeitweise obdachlos. Vor dem Lokal „Supa Salad“ blieb er stehen. Die Lichter brannten noch, die Tür war nicht abgeschlossen – der Schlüssel steckte sogar von außen. Für Enes A. war das offenbar ein gefundenes Fressen. Er betrat den Laden, ohne zu wissen, dass im hinteren Bereich noch jemand arbeitete: Anke Schäfer, die Besitzerin.
Die 24-Jährige war dabei, die Tagesabrechnung zu machen. Sie bemerkte den Mann erst, als es schon zu spät war. Enes A. näherte sich mit einem Messer in der Hand. Anke erkannte sofort die Bedrohung und bot ihm Geld an. Doch in dem Moment, als sie die Waffe sah, brach Panik in ihr aus. Seit einer Tumoroperation im Kindesalter litt sie an einer ausgeprägten Angst vor spitzen Gegenständen. Ihre Reaktion war instinktiv – sie schrie um Hilfe.
Enes A. geriet nun selbst in Panik. Er fürchtete, jemand könne die Schreie hören. Um die Situation zu beenden, stach er zu. Elfmal. In Brust, Gesicht, Arme und Hände. Der Angriff war so heftig, dass das Gericht später von „gezielter Tötungsabsicht“ sprach. Nachdem Anke Schäfer reglos am Boden lag, schleppte er die blutüberströmte Frau in den begehbaren Kühlraum. Dort ließ er sie zurück.
Danach raffte er in aller Eile einige persönliche Gegenstände zusammen: ihre Handtasche, ihr Portemonnaie mit gerade einmal 20 Euro und eine Sporttasche. Die 800 Euro Tageseinnahmen in der Kasse ließ er unbeachtet. Auch die Zigarette, die er vor der Tat geraucht hatte, vergaß er – und diese Spur sollte ihm Jahre später zum Verhängnis werden.
Im September 2016 begann vor dem Landgericht Köln der Prozess gegen Enes A., der inzwischen 36 Jahre alt war. Gleich zum Auftakt der Verhandlung gestand er unter Tränen noch einmal die Tat und entschuldigte sich bei der Familie des Opfers für das unsägliche Leid – gerade auch wegen der langen Zeit der Ungewissheit. Während des Prozesses kamen weitere erschütternde Details ans Licht. So berichteten Anke Schäfers Eltern, dass ihre Tochter seit einer Tumorerkrankung in Kindheitstagen eine panische Phobie vor spitzen Gegenständen – insbesondere vor Messern – gehabt habe. Diese Angst macht die Ereignisse jener Nacht noch tragischer: Anke muss beim Anblick der Klinge Todesangst gehabt haben und schrie reflexartig um Hilfe. Der Täter stach daraufhin elf Mal zu, um sie zum Schweigen zu bringen. Diese Grausamkeit und das damit einhergehende Motiv standen auch im Mittelpunkt der juristischen Bewertung.
Nach einer Beweisaufnahme mit Aussagen der Familie, forensischen Gutachten und der Darstellung des Geständnisses fiel am 28. Oktober 2016 das Urteil. Enes A. wurde wegen Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und Diebstahl zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sah das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht als erfüllt an – der Angeklagte hatte sein Opfer getötet, um die vorherige Raubtat zu verdecken und Zeugen auszuschalten. Somit ist eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung frühestens nach 15 Jahren Haft möglich. In der Urteilsbegründung betonte die Vorsitzende Richterin, dass die zahlreichen Stichwunden nicht das Resultat eines „Herumfuchtelns“ mit dem Messer seien, wie es die Verteidigung darzustellen versuchte, sondern gezielte und wuchtige Hiebe. Der Täter habe billigend in Kauf genommen, dass sein Opfer sterben würde. Am Ende zeigte Enes A. kaum eine Reaktion auf das Urteil – mit gesenktem Blick nahm er die Entscheidung des Gerichts zur Kenntnis. Für die Familie Schäfer brachte das Urteil nach neun langen Jahren endlich Gerechtigkeit.