Studierende des Master-Studiengangs Suchttherapie haben beim EM-Achtelfinalspiel der deutschen Nationalmannschaft die Werbeeinblendungen für Alkohol und Glücksspiele untersucht. Dabei stellten sie fest, dass die Dominanz und Platzierung dieser Werbung alarmierend ist. Die Analyse ergab, dass diese Art von Werbung erheblichen Einfluss auf das Konsumverhalten hat und ein suchtpolitisches Versagen darstellt.
Die Studierenden der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) kamen am Freitagabend im Seminarraum zusammen, um die Werbeeinblendungen während des EM-Spiels zu dokumentieren. Sie notierten im Fünf-Minuten-Takt die Werbung für Alkohol und Glücksspiele, die sowohl in Werbespots als auch auf den Fußballplatzbanden zu sehen war. Besonders auffällig war die Präsenz der Biermarke Bitburger und des Sportwettenanbieters Betano, die beide offizielle Sponsoren der Fußball-EM sind.
Die Analyse zeigte, dass Alkoholwerbung gezielt in unmittelbarer Nähe zu den Spielpausen, wie der Halbzeitpause und dem Abpfiff, platziert wurde. Ab der 20. Spielminute gab es nur noch drei fünfminütige Zeitfenster, in denen kein Werbebanner für Glücksspiele eingeblendet wurde. Diese Platzierung ist besonders problematisch, da sie die Entspannungsphasen während eines Fußballspiels nutzt, um den Konsum von Alkohol zu fördern.
Die gezielte Platzierung der Werbung, besonders vor den Spielpausen, wurde von den Studierenden als suchtpolitisches Versagen eingestuft. Die Platzierung vor den Abpfiffen bietet werbepsychologisch den besten Sendeplatz für Bierwerbung, da genug Zeit bleibt, sich ein Bier zu holen und die Werbung in entspannter Stimmung zu konsumieren. Die Studierenden zeigten sich überrascht von der Häufigkeit der Glücksspiel-Werbung, die die Alkoholwerbung deutlich überstieg.
Die Analyse der Studierenden verdeutlicht, dass die aktuelle Gesetzgebung den Interessen der Alkohol- und Glücksspielindustrie entgegenkommt. Trotz Forderungen nach einem Werbeverbot für Alkohol und Sportwetten im Fußball blieb eine gesetzliche Regulierung bisher aus. Die Glücksspielindustrie hat seit Jahrzehnten Einfluss auf die Gesetzgebung und nutzt menschliche Bedürfnisse gesundheitsschädlich aus.
Im Anschluss an die Analyse entwickelten die Studierenden die Idee, eine ähnliche Übung mit ihren Patientinnen und Patienten durchzuführen. Ziel ist es, das Bewusstsein für die allgegenwärtige Werbung und deren Einfluss auf das Konsumverhalten zu schärfen. Diese Übung könnte Suchterkrankten helfen, wachsamer durch die Welt zu gehen und die allgegenwärtige Werbung besser zu erkennen und zu verarbeiten.
Die Ergebnisse der Analyse zeigen deutlich, dass die Werbung für Alkohol und Glücksspiele während Fußballübertragungen ein ernstes Problem darstellt. Die Studierenden fordern daher ein Umdenken in der Werbepolitik, um den Einfluss auf das Konsumverhalten zu minimieren und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.