
Es war ein ganz normaler Samstagnachmittag in der belebten Innenstadt von Münster. Menschen flanierten durch die Fußgängerzone, gingen einkaufen oder genossen ihren Kaffee in einem der zahlreichen Cafés. Doch mitten in dieser geschäftigen Kulisse schob ein Mann eine Sackkarre durch die Menge. Darauf lag ein mit Klebeband befestigter Teppich. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass sich darin die Leiche einer jungen Frau befand.
Die Geschichte beginnt Jahre zuvor, als Wolfgang, ein wohlhabender Versicherungsmakler aus Münster, die 34 Jahre jüngere Lou in Brasilien kennenlernt. Sie war eine junge Frau voller Träume, die sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen wollte. Anfangs schien alles gut zu laufen: Sie zog zu ihm, lernte Deutsch und fand Anschluss in der Stadt. Doch hinter der Fassade einer perfekten Beziehung brodelte es. Wolfgang wurde zunehmend kontrollierend, während Lou begann, sich immer mehr von ihm zu distanzieren.
Wolfgang war eifersüchtig. Er gab seiner Frau vor, wann sie nach Hause zu kommen hatte, kontrollierte ihr Telefonverhalten und verlangte, dass sie sich „angemessen“ kleidete. Gleichzeitig fotografierte er sie leicht bekleidet und stellte die Bilder auf Modelplattformen online. Als Lou sich vermehrt mit Freundinnen traf und sich ein eigenständiges Leben aufbaute, eskalierte die Situation. Sie begann Affären, während Wolfgang verzweifelt versuchte, sie zu halten.
In der Nacht auf den 27. Oktober 2007 eskalierte die Beziehung endgültig. Lou kam um vier Uhr morgens nach Hause, nachdem sie den Abend mit einem anderen Mann verbracht hatte. Ein heftiger Streit brach aus. Wolfgang verlor die Kontrolle, packte sie am Hals und drückte zu. Als Lou sich noch rührte, setzte er nach. Mindestens fünf Minuten lang hielt er ihren Hals umklammert, bis sie starb. Später sagte er in der Vernehmung: „Ich wollte sie wirklich töten.“
Wolfgang verbrachte die restliche Nacht mit der Leiche in seiner Wohnung. Am Morgen überlegte er, was er tun sollte. Dann kam ihm ein Plan: Er fuhr in einen Baumarkt, kaufte einen Teppich, wickelte Lou darin ein und sicherte das Paket mit Klebeband. Doch er stand vor einem Problem: Die Leiche war zu schwer. Also holte er eine Sackkarre aus dem Keller und transportierte die in den Teppich gewickelte Frau mitten durch die belebte Innenstadt bis zu seinem Auto. Niemand stoppte ihn.
Mit seinem Wagen fuhr er 60 Kilometer bis nach Ibbenbüren, wo er am Mittellandkanal an einer abgelegenen Stelle anhielt. Um sicherzustellen, dass die Leiche untergeht, befestigte er Ketten an ihren Beinen. Dann rollte er das Paket ins Wasser und sah zu, wie es versank. In den folgenden Tagen kehrte er mehrfach zum Kanal zurück, allerdings nicht zur Tatstelle, sondern an andere Orte, um Beweise wie ihren Schmuck, ihr Handy und seine Sackkarre zu entsorgen.
Drei Tage nach ihrem Verschwinden meldete Lous Freund sie als vermisst. Die Polizei befragte Wolfgang, doch zunächst gab es keine konkreten Hinweise auf ein Verbrechen. Erst als Nachbarn berichteten, in der Tatnacht ein lautes Poltern gehört zu haben, und die Ermittler den Taxifahrer fanden, der Lou an ihrer Wohnung abgesetzt hatte, brach Wolfgang zusammen. Er gestand alles und führte die Polizei zur Leiche.
Im Juni 2008 begann der Prozess am Landgericht Münster. Der Fall hatte die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und der Zuschauerraum war jeden Verhandlungstag bis auf den letzten Platz gefüllt. Wolfgang wurde schließlich zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Da er nicht vorbestraft war und sich kooperativ zeigte, wurde er wahrscheinlich nach zwei Dritteln der Haftzeit entlassen.
Heute lebt Wolfgang irgendwo in Deutschland ein freies Leben. Lou hingegen ist tot. Ein Leben, das noch so viele Möglichkeiten gehabt hätte, endete auf grausame Weise.
Der Fall wirft die Frage auf, ob es sich um einen Femizid handelt – also die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts, häufig durch einen Partner oder Ex-Partner. Wolfgang kontrollierte Lou, überwachte ihr Verhalten und wurde wütend, als sie begann, eigene Entscheidungen zu treffen. Der Mord geschah im Kontext einer toxischen Beziehung, in der Wolfgang versuchte, Lou an sich zu binden, sie aber gleichzeitig unterdrückte.
Gleichzeitig gab es Provokationen und eine ungesunde Dynamik in der Beziehung, die durch emotionale Abhängigkeiten und finanzielle Sicherheit verstärkt wurde. Dennoch bleibt der zentrale Aspekt, dass Wolfgang Lou tötete, als sie nicht mehr nach seinen Regeln leben wollte – ein Muster, das sich in vielen Fällen von Partnerschaftsgewalt zeigt. Die Justiz verurteilte ihn lediglich wegen Totschlags, da eine besondere Heimtücke oder niedrige Beweggründe nicht eindeutig nachweisbar waren. Doch aus gesellschaftlicher Perspektive bleibt die Frage bestehen, ob dieser Fall nicht in das Muster geschlechtsspezifischer Gewalt passt und als Femizid betrachtet werden sollte.