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Der „Putzfrauenmord“ von Telgte

Paragraph auf Pflastersteinen: Titelbild zum Dreichfachmord von Telgte

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Im Januar 2003 erschütterte ein brutaler Dreifachmord die kleine Stadt Telgte im Münsterland. Drei Reinigungskräfte wurden auf offener Straße hingerichtet, zwei von ihnen, um den eigentlichen Mord an der Ehefrau des Haupttäters zu verschleiern. Diese Tat brachte das Grauen in eine sonst ruhige und idyllische Kleinstadt. Der Fall, der schnell als der „Putzfrauenmord von Telgte“ bekannt wurde, offenbarte eine schockierende Geschichte voller Brutalität, Verzweiflung und krimineller Energie.

Die Tatnacht

Am Abend des 27. Januar 2003 war Timucin S., ein 21-jähriger Mann türkischer Abstammung, auf einem Parkplatz vor einem Fitnessstudio in Telgte bereit, eine unfassbare Tat zu begehen. Maskiert mit einer schwarzen Sturmhaube und bewaffnet mit einer 9-Millimeter-Pistole wartete er darauf, dass seine Ehefrau Eser N. und ihre beiden Kolleginnen das Gebäude verließen. Als die Frauen nach ihrer Schicht den Parkplatz betraten und zu ihrem Auto gingen, trat er plötzlich aus dem Schatten hervor, richtete die Waffe auf sie und zwang sie, sich an die Wand zu stellen.

Ohne zu zögern, schoss er zuerst Gerlinde S. aus einem Meter Entfernung in den Kopf. Die Kugel trat knapp unter dem Auge ein und tötete sie sofort. Sekunden später richtete er die Waffe auf Cornelia M. und feuerte aus einer Entfernung von nur 60 Zentimetern. Auch sie wurde in den Kopf getroffen und starb später im Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen. Eser N., die den Mord an ihren Kolleginnen mitansehen musste, versuchte in einem reflexartigen Fluchtversuch zu entkommen. Als sie jedoch erkannte, dass ihre Flucht aussichtslos war, kniete sie vor ihrem Mörder nieder und bot ihm damit ihr Leben an. Timucin S. schoss ihr in den Hinterkopf und tötete sie ebenfalls sofort.

Die Täter und ihre Hintergründe

Die drei Täter, die hinter diesem brutalen Verbrechen standen, hatten unterschiedliche Motivationen und Hintergründe. Esen D., der 31-jährige Haupttäter, war der Kopf der Gruppe. Er träumte davon, ein kriminelles Imperium im Stil der Mafia aufzubauen. Er war frustriert von seinem Leben und wollte durch kriminelle Aktivitäten, wie Drogenhandel und Menschenhandel, schnell zu Reichtum gelangen. Seine Ehefrau Eser N. stand ihm dabei im Weg. Er befürchtete, dass sie seine kriminellen Pläne durchkreuzen könnte und wollte sie daher aus dem Weg räumen.

Esen D. hatte bereits eine Affäre mit einer anderen Frau und führte ein Doppelleben. Um seine Frau loszuwerden, wandte er sich an seinen Freund Ali D., den er in seine kriminellen Pläne eingeweiht hatte. Ali D. lehnte jedoch ab, seine Frau zu töten. Daraufhin wandte sich Esen D. an Timucin S., einen jungen Mann, der als „Mann für alles“ in der Bande fungierte und über Kontakte in die russische Community verfügte. Timucin S., der bereits wegen Diebstahls und Körperverletzung verurteilt worden war, ließ sich schließlich auf den Mordauftrag ein. Esen D. bot ihm 5000 Euro und eine langfristige kriminelle Partnerschaft an, um ihn zu motivieren.

Die Ermittlungen und Festnahmen

Die Nachricht vom Mord verbreitete sich schnell und schockierte die Einwohner von Telgte und die gesamte Region. Die Polizei und Staatsanwaltschaft Münster setzten alle verfügbaren Ressourcen ein, um den Fall aufzuklären. Eine Sonderkommission wurde gebildet, und es arbeiteten zeitweise 36 Beamte an dem Fall. Trotz intensiver Ermittlungen und einer Belohnung von 30.000 Euro blieben die entscheidenden Hinweise zunächst aus. Die Polizei konzentrierte ihre Ermittlungen auf das persönliche Umfeld der Opfer, da sie vermuteten, dass der Täter aus ihrem näheren Umfeld stammen könnte.

Der Durchbruch in den Ermittlungen kam, als Ali D., geplagt von einem schlechten Gewissen und dem Druck der Vernehmungen, zur Polizei ging und ein Geständnis ablegte. Er gab die Namen seiner Komplizen preis und beschrieb detailliert den Tatablauf. Aufgrund seiner Aussagen wurden Esen D. und Timucin S. festgenommen. Beide gestanden die Tat nach kurzen Verhören.

Der Prozess und die Urteile

Am 26. Juni 2003 begann vor dem Landgericht Münster der Prozess gegen Esen D., Timucin S. und Ali D. Esen D. und Timucin S. wurden wegen Mordes angeklagt, Ali D. wegen Beihilfe zum Mord. Der Prozess verlief ohne große Überraschungen, da alle drei Angeklagten umfassende Geständnisse abgelegt hatten.

Esen D., der als treibende Kraft und Anstifter galt, legte über seine Verteidiger ein Geständnis ab und zeigte sich reumütig. Er bestätigte die Vorwürfe der Anklage und räumte seine verhängnisvolle Rolle ein. Er erklärte, dass er großes Unrecht über seine Familie und die Familien der Opfer gebracht habe. Timucin S., der die tödlichen Schüsse abgegeben hatte, bestätigte ebenfalls die Vorwürfe und gestand, dass von Anfang an geplant war, die beiden unbeteiligten Frauen zu töten, um die eigentliche Zielperson, seine Ehefrau, zu verschleiern.

Das Gericht verurteilte Esen D. und Timucin S. zu lebenslanger Haft. Ali D. erhielt eine achtjährige Haftstrafe wegen Beihilfe zum Mord. Besonders hervorgehoben wurde die brutale und skrupellose Ausführung der Morde, die als Hinrichtung auf offener Straße beschrieben wurde. Die lebenslangen Haftstrafen für Esen D. und Timucin S. beinhalteten auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung praktisch ausschloss.

Das Leben der Täter im Gefängnis

Timucin S. blieb auch nach seiner Verurteilung ein problematischer Gefangener. In den ersten Jahren seiner Haftzeit kam es mehrfach zu Disziplinarverfahren wegen körperlicher Auseinandersetzungen mit anderen Häftlingen und dem Besitz verbotener Gegenstände. Bei einer Zellenkontrolle im Jahr 2012 fand man eine türkische Ausgabe von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und andere rechtsradikale Literatur in seinem Besitz. Dies führte zu einer weiteren Verschärfung seiner Haftbedingungen und seiner Verlegung in ein anderes Gefängnis.

Auch nach 15 Jahren Haft wurde sein Antrag auf vorzeitige Entlassung von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve abgelehnt. Die Richter bezeichneten ihn als besonders gefährlich und menschenverachtend, da er keinerlei Reue zeigte und jede therapeutische Aufarbeitung der Morde ablehnte. Stattdessen beschuldigte er weiterhin seine Freunde, ihn manipuliert zu haben, und betrachtete die Tat als einen Freundschaftsdienst.