
Die Bürgerumfrage Münster hat in der Kommunalpolitik für Diskussionen gesorgt. Die Ratsfraktion der Grünen sieht sich in ihrer bisherigen Klimapolitik bestätigt und fordert, auf Basis der Umfrageergebnisse, eine ambitioniertere Ausrichtung – vor allem in der Verkehrsplanung und bei energetischen Sanierungen. Die repräsentative Umfrage wurde von der Stadt Münster im Jahr 2023 durchgeführt und gibt detaillierte Einblicke in Einstellungen und Wünsche der Bevölkerung rund um Klimaschutz und Stadtentwicklung.
Für die Bürgerumfrage Münster wurden über 10.000 zufällig ausgewählte Haushalte kontaktiert. 3.569 Personen nahmen teil, was einer Rücklaufquote von 36 Prozent entspricht. Die Befragung wurde als sogenannte Hybridumfrage durchgeführt, bei der 54,6 Prozent den Papierfragebogen und 45,4 Prozent das Online-Formular nutzten. Die Ergebnisse gelten als repräsentativ für die erwachsene Wohnbevölkerung der Stadt. Thematisch lag der Fokus auf dem Klimawandel und den lokalen Auswirkungen sowie möglichen kommunalen Maßnahmen.
Ein zentraler Bereich der Umfrage betraf die Wahrnehmung des Klimawandels und die Frage, inwieweit die Bevölkerung zu persönlichen oder gesellschaftlichen Veränderungen bereit ist. 80,1 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass der Klimawandel nur aufzuhalten sei, wenn alle ihre Lebensweise grundlegend verändern. Gleichzeitig lehnten 87,2 Prozent die Aussage ab, der Klimawandel sei nicht besonders dramatisch. Auch der Glaube an alleinige technische Lösungen ohne Verhaltensänderung war wenig verbreitet: 74,8 Prozent waren nicht der Meinung, man könne die Klimakrise ohne Einschnitte im Alltag lösen.
Besonders deutlich fallen die Ergebnisse im Bereich Mobilität aus. Die Mehrheit der Befragten spricht sich für eine Neugewichtung der Verkehrsplanung zugunsten klimafreundlicher Verkehrsmittel aus. 79,2 Prozent der Teilnehmenden wünschen sich, dass der öffentliche Nahverkehr im Vergleich zum Auto bevorzugt wird. 60,7 Prozent befürworten eine Umverteilung des Straßenraums zugunsten von Fußgängern und Radfahrern. Auch die Idee einer weitgehend autofreien Altstadt findet Zustimmung: 63,8 Prozent sprechen sich dafür aus, die Innenstadt innerhalb der Promenade weitgehend autofrei zu gestalten.
Zudem möchten 74,8 Prozent der Befragten ein besseres Angebot im ÖPNV, etwa durch häufigere Taktung und mehr Haltestellen. Auch der Radverkehr soll nach Wunsch vieler stärker berücksichtigt werden: 76,7 Prozent wünschen sich ein lückenloses, sicheres Radwegenetz. Ein allgemeines Tempolimit von 30 km/h im Stadtgebiet wird von 48,1 Prozent der Teilnehmenden unterstützt, während 40,6 Prozent es ablehnen. Die Zustimmung zu diesen Maßnahmen ist in zentralen Stadtteilen besonders hoch, während sie in den äußeren Stadtbereichen etwas zurückhaltender ausfällt.
Ein weiterer wichtiger Themenblock der Bürgerumfrage Münster war die zunehmende Sommerhitze. 25,9 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Wohnung oder ihr Haus im Sommer sehr heiß werde. Besonders häufig betroffen sind zentrale und dicht bebaute Stadtteile. Die Mehrheit reagiert mit einfachen Maßnahmen wie nächtlichem Lüften (84,8 Prozent), Abdunkelung der Räume (82,2 Prozent) oder erhöhter Flüssigkeitsaufnahme (86,6 Prozent). Nur 4,9 Prozent gaben an, eine Klimaanlage zu nutzen.
Die Zustimmung zu städtischen Maßnahmen zur Reduzierung von Hitzebelastungen ist hoch. 91,3 Prozent halten die Pflanzung zusätzlicher Straßenbäume für sinnvoll. Auch zusätzliche Grünflächen, mehr Entsiegelung und schattige öffentliche Aufenthaltsorte ohne Konsumzwang erhalten breite Unterstützung. Die Grünen im Rat sehen in diesen Werten einen klaren Auftrag, die Stadt an heißen Tagen lebenswerter zu gestalten.
Auch im Bereich der energetischen Gebäudesanierung zeigt sich ein differenziertes Bild. Zwei Drittel der befragten Eigentümer (66,5 Prozent) gaben an, mindestens eine Sanierungsmaßnahme bereits umgesetzt oder konkret geplant zu haben. Besonders häufig wurde die Dämmung des Daches (39,6 Prozent) genannt. Der Austausch alter Heizungen ist mit 11,1 Prozent die am häufigsten geplante Maßnahme.
Die Umfrage zeigt aber auch Hindernisse: 22,5 Prozent nennen hohe Kosten als Grund gegen eine Sanierung, 19,6 Prozent sehen sie als wirtschaftlich nicht sinnvoll an. 59,9 Prozent derer, die keine Sanierung planen, verweisen auf den bereits guten energetischen Zustand des Gebäudes. Die Bekanntheit städtischer oder staatlicher Förderprogramme ist dabei noch ausbaufähig. Die kostenlose Energieberatung der Verbraucherzentrale war das bekannteste Angebot, aber selbst dieses war vielen nicht bekannt.
Ein weiteres Ergebnis betrifft die Bereitschaft der Menschen, sich aktiv an Klimaschutzmaßnahmen zu beteiligen. 77,1 Prozent wünschen sich mehr Unterstützung durch die Stadt für ein klimafreundlicheres Verhalten im Alltag. Besonders gefragt sind konkrete Hilfen wie finanzielle Zuschüsse, Reparaturangebote oder Leihsysteme. Reine Informationskampagnen oder Beratungsangebote wurden etwas seltener als hilfreich eingestuft.
Auch das sogenannte Klima-Training, ein städtisches Programm zur Begleitung bei individuellen CO₂-Einsparmaßnahmen, wurde thematisiert. Zwar war es vor der Befragung nur 1,3 Prozent der Teilnehmenden bekannt, doch nach Erläuterung des Konzepts konnten sich 26,5 Prozent eine Teilnahme vorstellen. Weitere 37 Prozent antworteten mit „vielleicht“. Vor allem jüngere Menschen zeigten sich offen für solche Angebote, während ältere oder vollzeitbeschäftigte Personen häufig angaben, dafür keine Zeit zu haben.
Die Bürgerumfrage Münster 2023 liefert ein umfassendes Bild der Einstellungen und Erwartungen der Stadtgesellschaft in zentralen Zukunftsfragen. Eine große Mehrheit der Befragten erkennt die Herausforderungen des Klimawandels an und spricht sich für Veränderungen in der Mobilität, bei der Stadtgestaltung und im Gebäudebereich aus. Politik und Verwaltung dürften sich durch die Ergebnisse bestätigt fühlen, stehen aber zugleich vor der Aufgabe, konkrete Maßnahmen aus den Erkenntnissen abzuleiten. In der weiteren kommunalpolitischen Diskussion werden die Ergebnisse der Umfrage eine wichtige Grundlage bilden – sowohl für strategische Entscheidungen als auch für einzelne Projekte im Bereich Verkehr, Stadtgrün oder Energieeffizienz.