Lena Schmidt aus Münster hat eine ungewöhnliche Entscheidung getroffen: Für ein Jahr will sie auf alle Käufe verzichten, die nicht absolut notwendig sind. Damit schließt sie sich dem wachsenden Trend des sogenannten No-Buy-Years an, der vor allem in sozialen Medien wie TikTok immer mehr Anhänger findet. Lena, die Mitte 20 ist und in Münster Betriebswirtschaft studiert, hat sich bewusst dazu entschieden, aus ihrem bisherigen Konsumverhalten auszubrechen. Dabei möchte sie anonym bleiben und ihren echten Namen nicht im Internet lesen. Dennoch teilt sie ihre Erfahrungen mit anderen, um zu zeigen, dass Verzicht nicht nur Geld spart, sondern auch das Leben bereichern kann.
Der Trend des No-Buy-Years hat seinen Ursprung in den USA und ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Über 12.000 Videos mit dem Hashtag #NoBuyYear dokumentieren den Alltag derjenigen, die sich dieser Herausforderung stellen. Für Lena war es die perfekte Gelegenheit, um aus einem Konsummuster auszubrechen, das sie zunehmend belastet hatte. „Ich habe oft Dinge gekauft, nur weil sie im Angebot waren oder mir im Moment ein gutes Gefühl gegeben haben“, erzählt sie. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Stattdessen blieben die Schulden, und das Konto geriet regelmäßig ins Minus.
Lenas Entscheidung kam nicht über Nacht. Nach den Feiertagen 2024 bemerkte sie, dass sie ihr Budget völlig überschritten hatte. Geschenke, spontane Einkäufe und die Verlockung von Ratenzahlungen hatten ihren finanziellen Spielraum erschöpft. Vor allem Apps wie Klarna, die einfache Ratenzahlungen ermöglichen, machten es ihr schwer, ihre Ausgaben im Blick zu behalten. „Es war so leicht, Dinge zu kaufen, die ich eigentlich nicht brauchte. Das hat mich in einen Kreislauf aus Schulden und Stress gebracht.“
Für Lena ging es jedoch nicht nur ums Sparen. Nachhaltigkeit und Minimalismus spielten eine genauso wichtige Rolle. Sie fühlte sich von der Menge an Dingen, die sie besaß, überfordert. Der Verzicht war für sie nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Entscheidung. „Ich wollte herausfinden, wie es ist, mit dem auszukommen, was ich bereits habe.“
Schon in den ersten Wochen des neuen Jahres merkte Lena, dass der Verzicht nicht einfach ist. Besonders in sozialen Situationen, wie gemeinsamen Shopping-Ausflügen mit Freundinnen, fühlte sie sich zunächst ausgegrenzt. „Alle reden über die neuesten Trends, und ich musste lernen, mich bewusst dagegen zu entscheiden“, berichtet sie. Auch die Versuchungen in sozialen Medien machten ihr zu schaffen. „Instagram zeigt dir ständig Dinge, die du angeblich brauchst. Es ist schwer, sich davon nicht beeinflussen zu lassen.“
Dennoch sieht Lena diese Momente als Teil des Lernprozesses. Sie hat begonnen, sich aktiv mit Gleichgesinnten auszutauschen und über ihre Herausforderungen in Online-Communities zu sprechen. Vor allem auf Plattformen wie TikTok findet sie Inspiration und Motivation. „Es gibt so viele Menschen, die zeigen, wie sie mit wenig auskommen und trotzdem glücklich sind. Das hat mich bestärkt.“
Der finanzielle Druck, den viele junge Menschen durch Konsum verspüren, ist nicht nur ein individuelles Problem. Studien zeigen, dass insbesondere einfache Zahlungsmethoden wie Ratenkäufe über Apps viele in die Schuldenfalle treiben. Während in den USA Schulden im fünfstelligen Bereich keine Seltenheit sind, liegen sie in Deutschland oft zwischen 500 und 5.000 Euro. Auch Lena hatte vor dem Start ihres No-Buy-Years Schulden. „Es war nicht so, dass ich nichts mehr zahlen konnte, aber ich habe gemerkt, dass ich langfristig in Schwierigkeiten geraten könnte, wenn ich so weitermache.“
Vor allem Ausgaben für Mode, Beauty-Produkte und Reisen hatten sich bei ihr summiert. „Ich habe oft impulsiv gekauft, ohne nachzudenken, ob ich es wirklich brauche“, erklärt sie. Der Verzicht war für sie eine Möglichkeit, Kontrolle über ihre Finanzen zurückzugewinnen und den Druck zu reduzieren.
Nach knapp einem Monat spürt Lena bereits die ersten positiven Veränderungen. Sie hat nicht nur Geld gespart, sondern auch ein neues Gefühl der Freiheit gewonnen. „Ich habe gemerkt, dass ich mit weniger Dingen glücklicher bin“, sagt sie. Statt ständig neue Kleidung oder Beauty-Produkte zu kaufen, beschäftigt sie sich jetzt mehr mit den Dingen, die sie bereits besitzt. Alte Kleidungsstücke neu zu kombinieren oder kleine Reparaturen selbst zu machen, gibt ihr ein Gefühl von Kreativität und Selbstständigkeit.
Lena hat außerdem gelernt, ihre Kaufentscheidungen bewusster zu hinterfragen. Wenn sie etwas sieht, das sie haben möchte, legt sie das Handy beiseite und überlegt mindestens 24 Stunden, ob der Kauf wirklich nötig ist. In den meisten Fällen stellt sie dann fest, dass sie darauf verzichten kann.
Für Lena ist das No-Buy-Year nicht nur eine vorübergehende Herausforderung. Sie sieht es als Möglichkeit, langfristig einen nachhaltigeren Lebensstil zu entwickeln. „Ich will nach diesem Jahr nicht wieder in alte Muster zurückfallen. Das hier ist mehr als nur ein Experiment. Es ist ein Weg, mein Leben bewusster und einfacher zu gestalten.“
Mit ihrer Geschichte inspiriert sie andere, über ihre eigenen Konsumgewohnheiten nachzudenken. Der Verzicht mag anfangs schwerfallen, doch die positiven Effekte auf das Leben und die eigene Zufriedenheit sprechen für sich. Für Lena ist das No-Buy-Year ein Schritt in eine bessere Zukunft – für sie selbst und für die Umwelt.