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Der Mord an Pamela Werner: Ein Verbrechen im alten Peking

Ruine der alten Stadtmauer Pekings. Fundort Pamela Werner 1937
Ruine der alten Stadtmauer Pekings, Symbolfoto des Fox Towers

Peking, Januar 1937 – eine Stadt voller Kontraste und Spannungen. Im Schatten der drohenden japanischen Invasion und der politischen Unruhen des letzten chinesischen Kaisertums lebte eine kleine ausländische Gemeinschaft abgeschottet in der sogenannten „Legationsviertel“. Doch inmitten dieser turbulenten Zeit ereignete sich ein Verbrechen, das die Stadt in Atem hielt und auch fast ein Jahrhundert später Diskussionen und Theorien auslöst: der brutale Mord an Pamela Werner, der 19-jährigen Tochter eines britischen Diplomaten.

Ein grausamer Fund

An einem kalten Morgen, der 8. Januar 1937, entdeckte ein alter Mann beim Spaziergang die schrecklich zugerichtete Leiche einer jungen Frau am Fuße des berüchtigten „Fox Tower“. Der Turm, eine verlassene, sagenumwobene Struktur, war bekannt für wilde Hunde und Fledermäuse, die ihn bewohnten. Doch an diesem Morgen war es die Leiche, die die Aufmerksamkeit des Mannes erregte.

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Pamela Werner lag entstellt und blutleer auf dem gefrorenen Boden. Ihr Gesicht war von Messerstichen entstellt, ihre Rippen gebrochen und ihr Brustkorb chirurgisch geöffnet. Mehrere Organe – Herz, Leber, Nieren und Blase – fehlten. Trotz der Verstümmelungen war ihre Identität durch ihre Kleidung und ihre Mitgliedskarte eines nahegelegenen Eislaufklubs leicht festzustellen.

Wer war Pamela Werner?

Pamela wurde in China als Tochter von Edward Werner, einem hochgebildeten britischen Sinologen, und seiner Frau Gladys adoptiert. Ihre frühen Jahre waren von Verlust und Einsamkeit geprägt: Ihre leiblichen Eltern starben kurz nach ihrer Geburt, und als Pamela fünf Jahre alt war, beging ihre Adoptivmutter Suizid. Edward Werner, ein intellektueller Einzelgänger, zog sich nach dem Tod seiner Frau in seine Bücher zurück und ließ Pamela oft allein.

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Trotz ihrer schwierigen Kindheit entwickelte Pamela eine unabhängige und abenteuerlustige Persönlichkeit. Sie sprach fließend Chinesisch und bewegte sich mühelos zwischen den Welten des westlichen Legationsviertels und des pulsierenden Pekings außerhalb der Mauern. Doch diese Unabhängigkeit brachte sie auch oft in Schwierigkeiten, und sie wurde von mehreren Schulen verwiesen, bevor sie schließlich auf ein Internat geschickt wurde.

Der Abend des Verschwindens

Am 7. Januar 1937, einen Tag vor ihrem grausamen Tod, verbrachte Pamela den Nachmittag mit Freunden. Nach einer Teestunde ging sie zum Eislaufen, bevor sie gegen 19:00 Uhr erklärte, dass sie nach Hause müsse. Sie lehnte die Einladung ihrer Freunde ab, die russischen Weihnachtsfeierlichkeiten in der Stadt zu genießen, mit den Worten: „Ich bin an das Alleinsein gewöhnt. Peking ist die sicherste Stadt der Welt.“

Doch Pamela kehrte nie nach Hause zurück. Ihr Vater, Edward Werner, durchsuchte die Straßen Pekings die ganze Nacht, bis er am Morgen des nächsten Tages auf den Menschenauflauf am Fox Tower stieß.

Erste Ermittlungen: Ein Bild der Grausamkeit

Die Autopsie offenbarte ein erschütterndes Bild: Pamela war mit einem harten Schlag auf den Kopf getötet worden, der ihre Schädeldecke spaltete. Alle weiteren Verletzungen, einschließlich der Verstümmelungen, wurden nach ihrem Tod zugefügt. Pathologen vermuteten, dass der Mörder oder die Mörder Pamela in einem privaten Raum getötet, ihr Blut abgelassen und die Organe entfernt hatten, bevor sie die Leiche am Fox Tower ablegten. Doch trotz der modernen Ermittlungsverfahren der chinesischen Polizei blieben viele Fragen unbeantwortet.

Die Hauptverdächtigen: Ein Netz aus Intrigen

1. Wentworth Prentice

Hintergrund:
Wentworth Prentice, ein amerikanischer Zahnarzt, war in der kleinen ausländischen Gemeinschaft Pekings sowohl bekannt als auch berüchtigt. Offiziell galt er als ein angesehener Fachmann, der für diplomatische Kreise arbeitete. Doch abseits seiner Praxis pflegte er ein Doppelleben: Er war der Kopf einer Gruppe wohlhabender Exzentriker, die für ihre Jagdausflüge und ausschweifenden, teilweise illegalen Partys bekannt waren. Zu diesen Treffen lud Prentice regelmäßig junge Frauen ein, oft unter dem Vorwand gesellschaftlicher oder beruflicher Anlässe.

Verbindungen zu Pamela:

  • Es wurde festgestellt, dass Pamela als Patientin in Prentices Zahnarztpraxis war, obwohl er zunächst behauptete, sie nicht zu kennen. Ein Brief von Prentice an Pamela, in dem es um eine Behandlung ging, widerlegte seine Aussage.
  • Augenzeugen berichteten, dass Prentice und andere Mitglieder seiner Jagdgesellschaft – darunter George Gorman, ein irischer Journalist, und Fred Pinfold, sein Leibwächter – am Abend von Pamelas Tod in der Nähe des Tatorts gesehen wurden.
  • Ein Rikscha-Fahrer behauptete, Prentice habe zusammen mit einem anderen Mann und einer bewusstlosen Frau, die Pamela ähnlich sah, eine Fahrt zur Nähe des Fox Tower unternommen.

Motive und Verdächtiges Verhalten:

  • Prentice war bekannt für seine Vorliebe für junge Frauen und ausschweifende Feiern, die oft außer Kontrolle gerieten. Es wird vermutet, dass Pamela unwissentlich zu einer solchen Party eingeladen wurde und sich widersetzte, was möglicherweise zu ihrer Ermordung führte.
  • Der Zustand ihrer Leiche – präzise Schnitte, Entfernung von Organen – könnte auf jemanden mit medizinischen oder anatomischen Kenntnissen hinweisen, was auf Prentice als Zahnarzt zutrifft.
  • Sein Alibi für den Mordabend war fragwürdig: Er behauptete, bis spät in einem Kino gewesen zu sein, doch die letzte Vorstellung fand viel früher statt. Zudem wurden in seiner Wohnung blutige Spuren entdeckt, die er mit offenen Fenstern und einem angeblich frisch gestrichenen Raum zu kaschieren versuchte.

Kritik an der Theorie:

  • Obwohl viele Indizien auf Prentice hinweisen, bleibt die Frage, warum ein wohlhabender und mächtiger Zahnarzt das Risiko eingehen sollte, die Tochter eines Diplomaten zu töten.

2. Han Shouqing

Hintergrund:
Han Shouqing war ein ehemaliger Schulfreund Pamelas und bekannt dafür, ihr gegenüber starke romantische Gefühle zu hegen. Edward Werner betrachtete Han als unangenehm aufdringlich und brach ihm bei einem seiner Besuche sogar die Nase, als Han erneut versuchte, Pamela zu sehen.

Verbindungen zu Pamela:

  • Han hatte Pamela wenige Tage vor ihrem Tod wieder getroffen und sie offenbar zu einem Abendessen eingeladen. Augenzeugen bestätigten, dass sie am Tag ihres Verschwindens chinesisches Essen zu sich genommen hatte – vermutlich bei diesem Treffen.
  • Han soll Pamela nach ihrem Besuch in seinem Haus zurück zur Eislaufbahn gebracht haben. Dies passt zu seiner Version, dass er sie nach dem Abendessen wieder verabschiedete.

Motive und Verdächtiges Verhalten:

  • Hans wiederholte Ablehnungen durch Pamela könnten Ressentiments oder eine besessene Wut ausgelöst haben, die zu einem gewalttätigen Angriff führten. In diesem Szenario könnte der Mord ein Verbrechen aus Leidenschaft gewesen sein.
  • Die Art und Weise, wie Pamela getötet wurde – ein einziger tödlicher Schlag auf den Kopf und die Verstümmelungen danach – deutet auf emotionale Überreaktion und möglichen Hass hin.

Kritik an der Theorie:

  • Han war kein Mediziner und hatte vermutlich keine Kenntnisse, die ihm die präzisen Schnitte und das Entfernen der Organe ermöglicht hätten.
  • Es gab keine Beweise, dass Han die Leiche transportieren konnte. Der Fundort der Leiche lag mehrere Kilometer von seinem Wohnort entfernt, und ein solcher Transport hätte Spuren hinterlassen.

3. Die Theorien um organisierten Mord oder Ritualpraktiken

Hintergrund:
Die bizarren Verstümmelungen an Pamelas Körper führten zu Spekulationen, dass ihr Tod das Ergebnis eines organisierten Verbrechens, eines Ritualmords oder einer exotischen medizinischen Praxis sein könnte. Während solche Praktiken selten dokumentiert wurden, war Peking in den 1930er Jahren ein Ort, an dem viele kulturelle und gesellschaftliche Welten aufeinanderprallten.

Verbindungen zu Pamela:

  • Pamelas mutmaßliche Verbindungen zur ausländischen Elite Pekings könnten sie zur Zielscheibe für kriminelle Gruppen gemacht haben, die mit Menschenhandel oder Organhandel in Verbindung standen.
  • Einige spekulierten, dass Pamelas Organe für medizinische oder rituelle Zwecke entfernt wurden. Historische Berichte deuten darauf hin, dass in China in seltenen Fällen Organe für traditionelle Heilmethoden verwendet wurden.

Motive und Verdächtiges Verhalten:

  • Der präzise Schnitt und die Entfernung der Organe könnten auf einen Täter mit anatomischem Wissen hinweisen. Dies stützt die Theorie, dass es sich um eine geplante Tat handelte, bei der Pamela vielleicht gezielt ausgewählt wurde.
  • Die Nähe ihres Leichenfundorts zu einem vernachlässigten Bereich, der als „Badlands“ bekannt war – ein Ort voller illegaler Aktivitäten – deutet auf kriminelle Elemente hin.

Kritik an der Theorie:

  • Es gibt kaum handfeste Beweise, die auf Ritualpraktiken hindeuten. Diese Theorien wurden oft als sensationalistisch und von kolonialen Vorurteilen geprägt betrachtet.
  • Es bleibt unklar, warum Pamela – als Tochter eines bekannten Diplomaten – in ein solches Verbrechen verwickelt wurde.

4. George Gorman

Hintergrund:
George Gorman, ein irischer Journalist, war ein enger Freund von Wentworth Prentice und ein prominentes Mitglied der „nackten Jagdgesellschaft“. Seine Verbindung zu Pamela wurde erst durch Edward Werners private Ermittlungen aufgedeckt.

Verbindungen zu Pamela:

  • Gorman hatte Pamela auf einer Gruppenreise kennengelernt und dort romantische Annäherungsversuche unternommen, die sie ablehnte.
  • Am Tag vor ihrem Tod soll Pamela das Haus von Gorman besucht haben, was in ihrem Tagebuch vermerkt wurde.

Motive und Verdächtiges Verhalten:

  • Gorman könnte Pamela nach ihrer Rückkehr nach Peking wieder kontaktiert haben, möglicherweise mit romantischen oder anderen Absichten. Ihre Ablehnung könnte ihn zu einer impulsiven Tat getrieben haben.
  • Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Absicherung von Prentices Alibi, was die Ermittler stutzig machte.

Kritik an der Theorie:

  • Wie auch bei Prentice bleibt unklar, warum Gorman das Risiko eingegangen wäre, eine so auffällige Tat zu begehen.
  • Seine genaue Rolle bleibt spekulativ, da keine belastbaren Beweise gegen ihn gefunden wurden.

Ein gebrochener Vater und eine gescheiterte Suche

Edward Werner widmete den Rest seines Lebens der Suche nach den Mördern seiner Tochter. Er führte private Ermittlungen durch, verteilte Flyer in chinesischer Sprache und schrieb Appelle an die britische Regierung. Doch der Mordfall wurde nie offiziell aufgeklärt.

Die Ermittlungen wurden durch den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg endgültig gestoppt. Peking fiel in die Hände der Japaner, und das Leben in der Stadt änderte sich drastisch. Werner selbst wurde in ein Internierungslager geschickt, wo er zufällig auf Prentice traf. Berichten zufolge beschuldigte Werner Prentice bis zu dessen Tod offen, seine Tochter ermordet zu haben.