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Finanzierung der B-Side Münster: Zwischen Gemeinwohl und Intransparenz

B-Side Münster
Tag der offenen Tür der B-Side

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Die B-Side Münster gilt als Vorzeigeprojekt der Soziokultur am Hafen – doch hinter dem Engagement für Kunst und Gemeinschaft stehen Millionenbeträge an öffentlichen Fördergeldern. Wie transparent ist die Finanzierung dieses Kulturzentrums? Eine kritische Spurensuche zeigt mögliche Interessenkonflikte und strukturelle Fragen auf.

Ein Kulturzentrum mit Rückenwind öffentlicher Gelder

Die B-Side in Münster hat sich vom besetzten Altbau zum offiziell geförderten soziokulturellen Zentrum entwickelt. Möglich wurde dies vor allem durch umfangreiche Zuschüsse von Stadt und Land. Bereits 2016 signalisierte der Stadtrat Unterstützung für das Projekt im historischen Hill-Speicher am Hafen. Zunächst sollte der Umbau des Gebäudes zu 20 % durch die Stadt, 60 % durch das Land NRW und 20 % durch Bürgerkredite des B-Side-Trägervereins finanziert werden​. Doch diese Aufteilung änderte sich grundlegend in den folgenden Jahren.

Im Dezember 2019 beschloss der Rat der Stadt Münster eine deutliche Erhöhung der städtischen Finanzierung für die B-Side​. Damit verdoppelte sich der städtische Anteil von ursprünglich rund 1,5 Millionen Euro auf 3,06 Millionen Euro – jene 1,5 Millionen Euro, die der gemeinnützige B-Side-Verein ursprünglich als Eigenmittel hätte aufbringen müssen, wurden nun von der Stadt getragen​. Diese Aufstockung entlastete den Verein und gab dem Projekt eine „sichere finanzielle Basis“, wie Stadtbaurat Robin Denstorff betonte​. Der Verein müsse so keine kreditierten Eigenanteile mehr durch Gewinnerzielung zurückzahlen, sondern könne sich auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren​.

Kurz darauf kam der Corona-Schock – und überraschenderweise weiterer Rückenwind für die B-Side: Im Rahmen einer landesweiten Sonderregelung übernahm die Städtebauförderung NRW im Jahr 2020 sogar 100 % der Baukosten des soziokulturellen Zentrums​. Konkret investierte das Land rund 7,65 Millionen Euro und deckte damit die vollständigen Umbaukosten der B-Side​. Oberbürgermeister Markus Lewe dankte der Landesregierung ausdrücklich dafür, dass der eigene städtische Finanzierungsanteil vom Land übernommen wurde​– eine „außergewöhnliche finanzielle Entlastung“ für Münster​. Praktisch bedeutete dies: Anstelle der Stadt trug nun das Land NRW die Hauptlast der Finanzierung, was den städtischen Haushalt schonte. Kritische Stimmen fragen jedoch, ob das Projekt ohne diese glückliche Fügung – die eigentlich der allgemeinen Pandemiebewältigung dienen sollte – heute finanziell ebenso komfortabel dastünde.

Die Bauarbeiten am Hill-Speicher verzögerten sich zwar pandemiebedingt, starteten aber 2021​. Steigende Baukosten in der Krise machten 2022 einen städtischen Nachschuss erforderlich, da die Gesamtkosten auf etwa 9,5 Millionen Euro anstiegen​. Münster musste also doch wieder eigenes Geld zuschießen. Damit summiert sich die öffentliche Finanzierung des B-Side-Zentrums letztlich auf fast zehn Millionen Euro – eine Summe, die das B-Side-Kollektiv alleine nie hätte stemmen können. Die Verantwortlichen der B-Side betonen, es handele sich um eines der größten ehrenamtlich entwickelten Kulturprojekte in Deutschland​. Doch die großzügige öffentliche Förderung (Land NRW, Stadt Münster und Bundesmittel) weckt zugleich Erwartungen an die Gemeinwohlorientierung und Transparenz bei Fördermitteln.

Auf dem Papier gemeinnützig – in der Praxis zweigleisig?

Die B-Side tritt nach außen als gemeinnützige Kulturinitiative auf, doch organisatorisch ist sie zweigleisig aufgestellt: Hier der B-Side Kultur e.V., dort die B-Side GmbH. Diese Konstruktion wirft Fragen auf. Laut offizieller Darstellung besteht die Trägerschaft aus drei Körperschaften – dem gemeinnützigen Kulturverein, dem Hausverein und der B-Side GmbH – wobei der Hausverein alleiniger Gesellschafter der GmbH ist​. Der B-Side Kultur e.V. organisiert die kulturellen und bildenden Aktivitäten und ist als gemeinnützig anerkannt. Die B-Side GmbH hingegen wurde gegründet, um das Quartierszentrum zu entwickeln und den Betrieb des Hauses sicherzustellen​. Sie schloss mit der Stadt einen Nutzungsüberlassungsvertrag und übernimmt ab der Eröffnung Verwaltung und Infrastruktur des Hauses​. Juristisch bemerkenswert: Der Kulturverein ist rechtlich nicht mit GmbH und Hausverein verbunden​.

Diese Trennung von idealistischem Verein und Betreibergesellschaft ermöglicht es einerseits, ehrenamtliche Kulturarbeit vom Gebäudemanagement zu entlasten. Andererseits schafft sie Intransparenz: Während Fördergelder und Spenden an den Kultur e.V. gebunden an gemeinnützige Zwecke verwendet werden müssen, kann die GmbH wirtschaftlich agieren – etwa durch Vermietung von Co-Working-Spaces, Gastronomie oder Veranstaltungen – ohne unmittelbar denselben Gemeinnützigkeitsauflagen zu unterliegen. Zwar soll der Hausverein laut Satzung dafür sorgen, dass die GmbH dem Kulturverein Räume „zu möglichst günstigen Bedingungen“ bereitstellt​. Dennoch bleibt unklar, wie Gewinne oder Überschüsse der GmbH verwendet werden und inwieweit die Öffentlichkeit Einblick in diese Finanzflüsse hat. Kritiker monieren hier eine Grauzone: Findet innerhalb des B-Side-Konstrukts eine Quersubventionierung statt? Werden Einnahmen aus kommerziellen Aktivitäten wirklich wieder ins gemeinnützige Programm investiert, oder entsteht ein abgeschirmter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unter dem Deckmantel der Soziokultur? Solche Fragen lassen sich von außen kaum beantworten, denn die Entscheidungsprozesse laufen intern im selbstverwalteten Kollektiv ab. Transparenz nach außen – etwa durch veröffentlichte Geschäftsberichte der GmbH – wäre notwendig, um Bedenken auszuräumen.

Zweckgebundene Mittel: Die Hansawerkstatt als Prüfstein

Ein konkretes Beispiel, an dem sich die Debatte um Zweckbindung von Fördermitteln festmachen lässt, ist die Hansawerkstatt in der B-Side. Diese „Offene Werkstatt“ wurde als Ort für handwerkliche Bildung und Selbermachen im Viertel konzipiert​. Getragen vom Kulturverein, bietet sie Raum und Werkzeug für kreative Projekte der Nachbarschaft​. Zur Anschubfinanzierung flossen auch hier öffentliche Gelder: So stammen Ausstattung und laufende Kosten anfangs aus städtischen Fördermitteln, die allerdings zeitlich befristet gewährt wurden​. Die Förderung der Stadt läuft in absehbarer Zeit aus, heißt es seitens des Vereins, der nun verstärkt auf Spenden setzt, um den Betrieb zu sichern​.

Die Zweckbindung solcher Mittel – also die Verpflichtung, sie nur für den gemeinnützigen Werkstattbetrieb einzusetzen – gerät in den Fokus, wenn man die tatsächliche Nutzung betrachtet. Offiziell soll die Hansawerkstatt „dem Hansa- und Hafenviertel einen Raum, Werkzeuge und fachlichen Rat für eigensinniges Schaffen“ bieten​. Doch findet dieses idealistische Konzept genauso statt? Skeptische Beobachter fragen, ob die teure Werkstattausstattung wirklich allen interessierten Bürger*innen offensteht oder ob sie nicht vor allem von B-Side-internen Projekten genutzt wird. Tatsächlich wurde ein Großteil der Inneneinrichtung der neuen B-Side – vom Mobiliar bis zur Ausstattung der Gemeinschaftsräume – in Eigenleistung gebaut, oft mit recycelten Materialien und Hilfe ehrenamtlicher Teams. Dieses Engagement ist lobenswert und sparte Kosten​. Allerdings ist unklar, inwieweit hierbei auch die offene Werkstatt und ihre öffentlich finanzierten Ressourcen eingebunden waren. Wurden die Maschinen und Werkzeuge, die für alle da sein sollen, vorrangig für den Eigenbedarf des Zentrums eingesetzt? Solche Fragen stehen im Raum. Der Kulturverein versucht gegenzusteuern, indem er die Hansawerkstatt durch ein Spendenprogramm langfristig unabhängig von Fördergeldern machen will​. Dennoch bleibt entscheidend, dass die Hansawerkstatt ihrem öffentlichen Auftrag gerecht wird – als transparenter Begegnungs- und Produktionsort für die Stadtgesellschaft, nicht als interner „Betriebshof“ der B-Side. Hier wird sich zeigen, wie ernst es die Betreiber mit der Gemeinwohlorientierung nehmen.

Private Partner: Formagora zwischen Idealismus und Geschäft

Ein kritischer Punkt bei der B-Side Münster Finanzierung ist die Zusammenarbeit mit dem privatwirtschaftlichen Partner Formagora. Studio Formagora ist ein Designbüro aus Münster, das von Anfang an eng in Teile des B-Side-Projekts involviert war. Offiziell gibt es keine direkte Partnerschaft mit dem gemeinnützigen B-Side Kultur e.V. – der Verein arbeitet nicht mit Formagora zusammen​. Die Kooperation läuft ausschließlich über die B-Side GmbH. Doch was bedeutet das konkret?

Formagora brachte sich bei der Innenausstattung des Zentrums ein. Unter dem Motto „B-Side aufmöbeln“ half das Studio beim Bau der Einrichtung für Gemeinschaftsräume​. Die B-Side GmbH buchte Workshops bei Formagora, um in der Planungsphase der Möblierung kreative Expertise einzubinden​. Diese Workshops – teils in der eigenen Werkstatt der B-Side durchgeführt – dienten dazu, Tische, Sofas und weitere Möbel für das „Wohnzimmer“ und den Essbereich des Zentrums gemeinsam zu entwerfen und zu bauen​. Für die zukünftige Dachterrasse ist ähnliches geplant​. Es handelt sich also um eine Art Auftragsarbeit mit Mitmach-Faktor: Formagora erhielt den Zuschlag, diese Möbelbau-Workshops durchzuführen, und B-Side profitierte von Design-Know-how und Gemeinschaftsaktionen. Tatsächlich gewann Formagora 2024 eine Ausschreibung der B-Side GmbH, bei der es um Workshops zur Herstellung mobiler Sofaelemente ging​. Die Verbindung von ehrenamtlichem Engagement und wirtschaftlichem Interesse verschwimmt hier ein wenig: Zwar haben Formagora-Mitarbeiter viele Stunden ehrenamtlich im Projekt mitgeholfen​, zugleich hat das Unternehmen aber auch konkrete Aufträge und einen strategischen Mehrwert erhalten.

Ein potenzieller Interessenkonflikt könnte in den persönlichen Verflechtungen liegen. Formagora war frühzeitig in den B-Side-Kosmos eingebunden, unterstützte die Initiative ideell – und bewarb parallel die eigenen Aktivitäten. Gemeinsam mit der B-Side GmbH trommelte man in sozialen Medien für die neue Hansawerkstatt und die kommenden Angebote des Kulturvereins​. Zur feierlichen Eröffnung der B-Side im Herbst 2024 zog Formagora dann als einer von rund 50 Mietern ins Gebäude ein​. Das Studio bezog ein eigenes Büro im Zentrum – an einem Ort, der durch öffentliche Mittel renoviert wurde. Vertraglich ist das zwar sauber gelöst: Wie alle Nutzer hat Formagora lediglich einen zeitlich befristeten Nutzungsvertrag (3 Jahre), ohne automatische Verlängerung​. Die Vergabe der Räume erfolgte laut B-Side in einem offenen Auswahlgremium, an dem alle aktiven Mitglieder des Kollektivs mitwirken konnten​. Vetternwirtschaft bei der Raumvergabe soll so ausgeschlossen sein.

Doch trotz dieser Formalien fragen sich manche: Hatte Formagora einen Vorteil, weil es von Beginn an Teil des Netzwerks war? Konnte das Designstudio durch seine Doppelrolle – mal freiwilliger Helfer, mal beauftragter Dienstleister – Einfluss auf Entscheidungen nehmen, der Außenstehenden verwehrt blieb? Die Verantwortlichen der B-Side betonen, dass Transparenz und Mitbestimmung hier jeden Anschein von Kungelei verhindern. Es gebe keine Sonderkonditionen für Formagora; alle Mieter zahlen die vereinbarten Beiträge und müssen sich nach Ablauf der Frist neu bewerben​. Außerdem, so die Darstellung, profitiere vor allem die B-Side von der Kooperation: Durch die Hilfe des Designstudios habe man hochwertige, individuell angefertigte Möbel für die Gemeinschaftsräume erhalten, und die gemeinsame Arbeit habe das Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Formagora wiederum teile die Werte der B-Side – man sieht sich als „gemeinwohlorientierten Dritten“, mit dem die GmbH gerne zusammenarbeitet​.

Nichtsdestotrotz bleibt ein Geschmäckle: Ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist nun fest im öffentlich geförderten Kulturzentrum verankert. Es hilft ehrenamtlich mit – was lobenswert ist – erhält aber auch Prestige und Präsenz an einem prominenten Ort. Entscheidend wird sein, wie offen die B-Side mit dieser Symbiose umgeht. Kritiker werden genau hinschauen, ob Formagora in Zukunft vielleicht bevorzugt weitere Aufträge oder Verlängerungen erhält. Die B-Side-Verantwortlichen verweisen auf ihre internen Kontrollmechanismen und ihren gemeinnützigen Auftrag. Kooperationen mit Firmen wie Formagora seien Mittel zum Zweck, um das Haus mit Leben zu füllen, nicht um private Profite zu ermöglichen. Tatsächlich fließen mögliche Erlöse der B-Side GmbH – etwa aus Werkstattvermietungen oder Eventeinnahmen – nicht an Gesellschafter, sondern verbleiben im Projekt​. Dieser Verzicht auf Gewinnabsicht soll sicherstellen, dass Gemeinwohl vor Kommerz steht.

Politik im Spannungsfeld: Vom Ratsbeschluss zur Kritik

Die Geschichte der B-Side-Finanzierung ist eng verwoben mit politischen Entscheidungen im Stadtrat Münster. 2015 stand der Hill-Speicher vor der Privatisierung – ein Investor hätte das Gebäude wohl kommerziell entwickelt​. Nur durch den Einsatz der B-Side-Initiative und öffentlichem Druck kam es anders: 2016 stellte sich der Rat hinter das Konzept eines soziokulturellen Zentrums​. Diese Grundsatzentscheidung war allerdings erst der Anfang zäher Verhandlungen. Jahre später, 2019, mussten Politik und Verwaltung erneut Position beziehen, als klar wurde, dass das Finanzierungskonzept Lücken hatte. Der Kurswechsel kam – wie oben beschrieben – in Form eines Haushaltsantrags von CDU und Grünen, der dem Projekt zusätzliche städtische Mittel zuschanzte​. Interessant ist, dass dieses Bündnis zustande kam, obwohl die Parteienlandschaft sonst oft gespalten war. Offenkundig wollte kaum jemand politisch verantwortlich sein für ein Scheitern der B-Side, die in Münster bereits viele Sympathien genoss. Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) sprach von einer „guten Lösung“ und einer dauerhaften Ermöglichung des Projekts​. Dennoch ließ er durchblicken, dass man anderen Kulturinitiativen gegenüber gerecht bleiben müsse​. So wurde der Wunsch der B-Side, Miteigentümer des Gebäudes zu werden, vorerst abgeschlagen – das Haus bleibt in städtischem Besitz, zumindest bis auf Weiteres​. Dieses Detail zeigt, dass durchaus Bedenken bestanden, der B-Side zu privilegierte Konditionen einzuräumen.

In der Folgezeit gab es im Rat wenig öffentlichen Widerspruch zur B-Side-Förderung – nicht zuletzt, weil das Land NRW die Finanzierungslast übernahm und das Thema damit politisch entschärfte. 2020 jubelten lokale Politiker parteiübergreifend über die volle Kostenübernahme vom Land​. Hinter den Kulissen aber blieb eine gewisse Spannung spürbar. Wer trägt Verantwortung, wenn das Projekt langfristig mehr Geld braucht? Diese Frage stellte sich 2022, als die Baukosten explodierten. Letztlich bewilligte der Stadtrat auch den Nachschlag, ohne große Debatte. Doch man kann vermuten, dass insbesondere finanzpolitisch konservative Stimmen (etwa aus der FDP oder Teilen der CDU) diese Entwicklung mit Skepsis betrachten – wenngleich öffentlich kaum Kritik geäußert wurde, vermutlich um ein beliebtes Kulturprojekt nicht zum politischen Streitfall zu machen.

Die B-Side selbst vermarktet die Zusammenarbeit mit der Stadt als Modell eines „Commons-Public-Partnership“ – einer neuartigen Allianz zwischen Zivilgesellschaft und öffentlicher Hand​. In Münster gilt dieses Modell als Pilot: Verwaltung und Bürgerkollektiv auf Augenhöhe. Doch in der Praxis hängt dieses Gleichgewicht von Personen und Gutwilligkeit ab. Sollte in Zukunft politischer Gegenwind aufkommen – etwa wenn ein neuer Rat anders priorisiert oder Finanzengpässe härtere Fragen nach Nutzen und Kosten stellen – könnte das einstige Leuchtturmprojekt schnell unter Druck geraten. Schon jetzt warnen manche Ratsmitglieder hinter vorgehaltener Hand, man dürfe den Idealen nicht blind vertrauen, sondern müsse die B-Side an messbaren Gemeinwohl-Beiträgen messen.

Ruf nach Transparenz und Gemeinwohlorientierung

In der Öffentlichkeit wurde die B-Side Münster lange vor allem positiv gesehen: als bürgergetragene Erfolgsgeschichte und Bereicherung der Kulturszene. Mit der zunehmenden Institutionalisierung – großen Förderbeträgen, festen Strukturen, professionellen Partnern – mehren sich jedoch auch kritische Stimmen. Sie fordern Transparenz bei den Fördermitteln und Entscheidungen: Wie genau fließen die öffentlichen Gelder innerhalb der B-Side? Wer kontrolliert die Einhaltung der gemeinnützigen Zwecke? Und ist der Einfluss der Stadtgesellschaft auf „ihr“ Kulturzentrum ausreichend gewährleistet?

Ein Vorwurf lautet, in Münster habe eine kleine Gruppe von Engagierten im Hintergrund die Fäden gezogen und Politik sowie Verwaltung hätten letztlich im engen Kreis entschieden – Kritiker sprechen pointiert von möglicher „Kungelei“. Tatsächlich wirkt vieles an der Entstehung der B-Side intransparent nach außen: Es gab keine öffentliche Ausschreibung für die Trägerschaft des Zentrums, da die B-Side-Gruppe faktisch gesetzt war, nachdem sie den Hill-Speicher vor dem Verkauf bewahrt hatte. So verständlich dieses Vorgehen aus pragmatischer Sicht ist, es lässt sich argumentieren, dass hier ein öffentliches Gut (die Nutzung eines städtischen Gebäudes plus Millionenförderung) ohne Wettbewerbsverfahren an einen Verein vergeben wurde. Mangelnde Legitimation? Zumindest kein übliches Verfahren. Die B-Side verweist auf ihren basisdemokratischen internen Aufbau und umfangreiche Beteiligungsformate im Viertel. Doch diese betreffen primär die inhaltliche Programmgestaltung. Finanzielle und strukturelle Weichenstellungen werden nach wie vor im kleinen Kreis der Vereins- und GmbH-Spitzen getroffen.

Auch der Nutzungsvertrag mit der Stadt – über 20 Jahre kostenlose Überlassung der Räumlichkeiten​– wurde zwar vom Rat abgesegnet, aber die genauen Konditionen (etwa zu Pflichten der B-Side GmbH, zu Folgekosten, zu Berichtspflichten) sind öffentlich nicht leicht auffindbar. Gerade weil hier ein Experiment der Zusammenarbeit läuft, fordern Bürger*innen mehr offene Kommunikation: regelmäßige Berichte über Finanzen und Wirkungen, transparente Gremien und die Möglichkeit, Kritik einzubringen, ohne gleich als Kulturfeind dazustehen.

Gemeinwohl unter Beobachtung

Die B-Side Münster verkörpert den Traum eines soziokulturellen Zentrums, das von engagierten Bürger*innen initiiert und mit öffentlichen Mitteln ermöglicht wurde. Das Projekt hat unbestreitbar vielfältigen Mehrwert für Stadt und Quartier geschaffen – von der Rettung eines historischen Hafengebäudes über neue Kulturangebote bis hin zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements. Doch gerade weil hier öffentliches Geld investiert wird, verdient die B-Side auch kritische Begleitung. Ein investigativer Blick auf die Finanzierung offenbart Ungereimtheiten und offene Fragen: Wurde immer sauber zwischen gemeinnützigem Auftrag und wirtschaftlichen Interessen getrennt? Gelangen die Fördermittel vollständig dem Gemeinwohl zugute? Und wie ließe sich mehr Transparenz und Kontrolle verwirklichen, ohne die kreative Energie des Projekts abzuwürgen?

Die B-Side steht exemplarisch für viele öffentlich geförderte Kulturprojekte in Münster und anderswo: Sie bewegen sich in einem Spannungsfeld aus idealistischer Vision und pragmatischer Realisierung. Damit das Kulturzentrum Münster am Hafen dauerhaft auf Akzeptanz bauen kann, muss es zeigen, dass es diesen Spagat meistert. Kritische Fragen zu stellen, heißt nicht, das Projekt schlechtzureden – im Gegenteil: Es heißt, dafür zu sorgen, dass ein solches Vorhaben den Ansprüchen gerecht wird, die es an sich selbst stellt und stellen muss. Transparenz, Rechenschaft und klare Strukturen sind die Stichworte. Dann kann die Finanzierung der B-Side Münster vom potentiellen Streitfall zum Vorbild werden – für einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln in der Kultur und ein echtes soziokulturelles Zentrum im Sinne des Gemeinwohls.

 

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